Frauen in der TIC-Branche

„Es war mir immer wichtig, Frau zu bleiben“

Gabriele Schmidt-Rauße ist als Geschäftsführerin seit vielen Jahren in der Prüfdienstleistungsbranche tätig, die noch immer mehrheitlich mit Männern besetzt ist. Wie sie damit umgeht und was sie tut, um Mitarbeitende und vor allem Frauen für die Branche zu gewinnen, erzählt sie im Interview.

Wie verlief Ihr Weg in die Prüf- und Zertifizierungsbranche? Haben Sie einen technischen Berufshintergrund?

Bereits mit zwölf Jahren war mir klar, dass ich Ingenieurin werden wollte. Mein Vater riet mir zwar davon ab. Ich vertraute jedoch meinem Gefühl und nahm ein Maschinenbaustudium an der TU Darmstadt auf. Als ich meinen Abschluss hatte, herrschte Flaute in der Branche – verglichen mit heute ist das nahezu unvorstellbar. Als frischgebackene Diplom-Ingenieurin startete ich in einem Ingenieurbüro und plante dort Gas- und Dampfturbinenwerke für den arabischen Raum. Reisen dorthin waren für Frauen zu dieser Zeit fast nicht möglich. Und auch auf Baustellen wollte mich mein damaliger Chef nicht schicken – er hatte wohl die Befürchtung, dass ich als blonde Frau die Bauarbeiter ablenken könnte. So richtig gefallen hat mir das nicht. Deswegen habe ich dort gekündigt und bei der Zertifizierungsgesellschaft DQS meine Karriere weiter verfolgt.

War das für Sie als Frau schwerer als für Ihre männlichen Kollegen?

Einige Zeit später habe ich meine beiden Kinder bekommen, was in Kombination mit meinem Beruf eine große Herausforderung darstellte. Meine Mutter unterstützte mich so gut es ging. Aber es kam immer wieder vor, dass ich meine Kinder mit ins Büro nehmen musste oder ich oft spätabends arbeitete, wenn sie im Bett waren. Später konnten sie dann in die Krabbelgruppe, was mir zusätzlichen zeitlichen Freiraum für meine Arbeit verschaffte. Nach fast 13 Jahren bei DQS wechselte ich zur Prüfgesellschaft BSI, dort trat ich meine erste Geschäftsführungsstelle an. Zu dieser Zeit arbeitete mein Mann vom Homeoffice aus, und konnte sich mehr um unsere Kinder kümmern.

Was haben Sie aus Ihrer Zeit als arbeitende Mutter mitgenommen?

Mütter in Teilzeit arbeiten sehr fokussiert an ihren Themen und lassen sich nicht ablenken. Ich habe immer wieder beobachtet, dass viele von ihnen die zur Verfügung stehende Arbeitszeit äußerst effizient nutzen, und deswegen war es mir wichtig, gerade diesen Kolleginnen anspruchsvolle Aufgaben zu geben, um sie zusätzlich zu fordern und auch zu motivieren.

Was heißt das für Sie?

Mir war es auch nach vielen Jahren Führungserfahrung immer wichtig, Frau zu bleiben. Oftmals adaptieren Frauen in Führungspositionen das Verhalten von Männern. Sie geben sich bewusst hart, versuchen möglichst keine Gefühle zu zeigen und stehen so als Frau ihren Mann. Fehler zuzugeben wird als Schwäche gedeutet. Mir sind Soft Skills wichtig. Ich bin ein empathischer Mensch und versuche bestmöglich mit den Mitarbeitern zu kommunizieren, natürlich auch um sie zu motivieren. Meine männlichen Kollegen führen eher sach- und prozessorientiert, und genau wegen dieser unterschiedlichen Herangehensweise finde ich gemischte Führungsteams sehr wichtig. Auch in anderen Teams ist Diversität für mich der Schlüssel zum Erfolg.

Was sind Ihre Erfolgsrezepte, um Frauen zu unterstützen?

Frauen sind oftmals leider noch in der Minderzahl, was vor allem daran liegt, dass sich bislang nur wenige für das Berufsfeld interessieren. Bei der GTÜ, bei der ich zuletzt als Geschäftsführerin tätig war, ist das Kerngeschäft Hauptuntersuchungen an Fahrzeugen. Unter den Prüfingenieuren in den Werkstätten gibt es nur eine überschaubare Anzahl an Frauen. Ausnahmen bestätigen die Regel: Beispielsweise eine Tuning-Expertin und Ingenieurin, die im Technischen Dienst tätig ist. Mit ihr haben wir gezielt Videos für unsere Social-Media-Kanäle gedreht, um bei Frauen das Interesse für diesen Beruf zu wecken.

Mir war schon immer wichtig, Frauen durch gezieltes Mentoring zu fördern. Im Rahmen eines internen Mentoring-Programms beim TÜV Rheinland arbeitete ich mit Dr. Dagmar Carmele als Mentee in einem Tandem. Als promovierte Physikerin arbeitete sie damals Projektmanagerin und Global Business Development Managerin im Bereich Industrie Service. Wir sind uns auch nach dieser Zeit eng verbunden geblieben, haben uns regelmäßig ausgetauscht. Heute leitet sie als Lean Managerin Baustellen im Geschäftsbereich Industrie bei Bureau Veritas.

Ich denke, dass Frauen in verantwortlichen Positionen unbedingt ihre Möglichkeiten zur Unterstützung und Förderung von Mitarbeitenden nutzen sollten. Grundsätzlich kann ich Frauen nur dazu animieren, mutiger zu sein. Verglichen mit Männern schätzen sie oftmals ihre Leistungen schlechter ein, sind selbstkritischer und manchmal auch nicht selbstbewusst genug. Die Fähigkeit, Gefühle und Schwäche zu zeigen, sollte nicht damit einhergehen, dass Frau sich versteckt. Mein Mantra lautet deshalb: Traut euch – ihr könnt das! Prinzipiell ist es aber leider sehr schwer, passende Mitarbeiter für die Prüfdienstleistungsbranche zu finden – egal welchen Geschlechts.

„Grundsätzlich kann ich Frauen nur dazu animieren, mutiger zu sein. Verglichen mit Männern schätzen sie ihre Leistungen oft schlechter ein, sind selbstkritischer und manchmal auch nicht selbstbewusst genug. Die Fähigkeit, Gefühle und Schwäche zu zeigen, sollte nicht damit einhergehen, dass Frau sich versteckt. Mein Mantra lautet deshalb: Traut euch – ihr könnt das!“
Gabriele Schmidt-Rauße

Woran liegt das?

Der Arbeitsmarkt für so spezialisierte Fachkräfte ist klein, die Konkurrenz ist groß, und andere Unternehmen bieten bequeme Schreibtischjobs. Hauptuntersuchungen, Begutachtungen oder Audits kann man nicht am Schreibtisch oder aus dem Homeoffice erledigen. Die Experten für Inspektion, Prüfung oder Zertifizierung arbeiten direkt vor Ort, z.B. in den Prüfstellen, in Werkstätten, Laboren oder beim Kunden. Um Studierende mit dem Unternehmen und den Berufsbildern bekannt zu machen, war mir immer wichtig an Hochschulen aktiv zu sein, Praktika, Hospitanzen, Promotionsstellen anzubieten.

Was würden Sie der Prüf- und Zertifizierungsbranche in Sachen Führung ins Pflichtenheft schreiben?

Während der Pandemie habe ich – damals noch in meinem vorherigen Unternehmen – gesehen, dass Führung auch vom Homeoffice möglich ist. Ich habe aber auch gemerkt, dass es komplett von zu Hause aus, ohne enge menschliche Bindung, nicht geht. Das begeisternde Gefühl, dass wir an einer gemeinsamen Sache arbeiten, flachte nach zwei Jahren ab, weil das Miteinander fehlte. Bei manch einem hat diese Situation auch negative Verhaltensweisen zu Tage gefördert. Da wurde beispielsweise recht schnell mit dem Finger aufeinander gezeigt, wenn die Zahlen nicht stimmten. Denn über die Distanz fällt es leichter, Kritik an anderen zu üben. Deshalb rate ich anderen Führungskräften, eine gewisse, in der Pandemie gewonnene Flexibilität beizubehalten, aber gleichzeitig das Miteinander durch Präsenz zu fördern.

Zur Person:

Gabriele Schmidt-Rauße war zuletzt bei  der GTÜ Gesellschaft für Technische Überwachung mbH als Geschäftsführerin tätig. Zu den vorherigen Stationen der studierten Maschinenbau-Ingenieurin gehörten Geschäftsführungspositionen bei BSI, TÜV Rheinland und Bureau Veritas.

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