„Mein Anspruch ist es, mittelständische Unternehmen fit für das Qualitätsmanagement zu machen.“
Elke Meurer sprach mit Ina Westphal über Herausforderungen für interne Auditoren, die Besonderheiten in der Beratung von mittelständischen Unternehmen und darüber, welche Anforderungen Auditoren heute erfüllen müssen.
Liebe Elke Meurer, ich folge Ihnen und Ihren Fachbeiträgen auf LinkedIn schon eine Weile und habe mich gefreut, dass wir uns beim Norddeutschen Qualitätstag persönlich kennengelernt haben. Ihr Slogan lautet: „Qualitätsmanagement pragmatisch und wirkungsvoll“. Was tun Sie genau?
Als Unternehmensberaterin für den Mittelstand ist mein Schwerpunkt die Einführung bzw. Begleitung zur Zertifizierung des Qualitätsmanagements (ISO 9001) in mittelständischen Unternehmen. Im Laufe der Jahre habe ich mich in die besondere Struktur und die Eigenheiten des Mittelstandes eingearbeitet. Seit 20 Jahren bin ich mit Herzblut Unternehmerin. Zusätzlich arbeite ich als interne Auditorin, als Prüferin im Rahmen der Auditoren-Ausbildung und biete Trainings und Coachings an.
Was macht die Arbeit als Qualitätsmanagement-Beraterin für KMU so besonders?
Dass der Mittelstand anders arbeitet und tickt als Konzern-Unternehmen, ist keine Neuigkeit. In den Gesprächen mit Geschäftsführern nehme ich seit langem wahr, dass diese die Vorgehensweise von 3rd-party Auditoren in Zertifizierungs-Audits oftmals nicht verstehen. Sie beklagen, dass Auditoren umfangreiche und teilweise realitätsfremde Forderungen stellen und dabei vergessen, dass sie keinen Konzern, sondern einen Mittelständler vor sich haben. Das war der Auslöser, meine Beratungsstrategie zu ändern und mich voll und ganz auf KMU zu spezialisieren. Mein Anspruch ist, KMU fit zu machen für Qualitätsmanagement. Mir ist wichtig, zwischen Zertifizierungsauditoren und Unternehmen zu vermitteln und Probleme zu lösen. Kommunikation ist für mich der Schlüssel, denn ich arbeite auf der sprachlichen Ebene mit meinen Kunden. Sprache ist machtvoll, hier finde ich immer den Anknüpfungspunkt in der Beratung. Ich übersetze die Forderungen des Auditors: „Was der Auditor meint, ist folgendes …“ oder „Das ist Fachsprache und bedeutet …“ Damit sorge ich für Verständlichkeit und Klarheit.
Ist es nicht die Aufgabe des Zertifizierungsauditors für Verständlichkeit und Klarheit zu sorgen?
Ja, das ist der Anspruch an den Auditor. In der Praxis mit meinen Kunden ergibt sich jedoch ein differenziertes Bild. Wenn ich die 20 Jahre rückblickend betrachte, ist die Situation schon sehr viel besser geworden. Das Thema Qualitätsmanagement ist mittlerweile in mittelständischen Unternehmen gut etabliert. Die Führungsebene hat weitreichende Vorkenntnisse, kennt die Fachbegriffe und kann besser einordnen, was gefordert ist. Es ist eine Errungenschaft, dass das Qualitätsmanagement in den Unternehmen heute angekommen ist. Und ich erlebe, dass es heute immer mehr Zertifizierungsauditoren gibt, die der Kommunikation einen hohen Stellenwert einräumen. Sie klären auf, sie übernehmen dafür die Verantwortung und kommunizieren auf Augenhöhe mit den Unternehmen.
Wie nehmen Sie die Qualität von Auditoren wahr?
Zunächst einmal habe ich im Laufe der Jahre tolle 3rd party-Auditoren kennengelernt, die mit umfassender Erfahrung und viel Herzblut arbeiten. Es ist nicht einfach, in dieser Rolle bei Zertifizierungsgesellschaften zu arbeiten. Denn man ist in einer Sandwich-Position – den Anforderungen des eigenen Unternehmens und den Anforderungen der DAkkS gerecht zu werden. Darüber hinaus hat die Bürokratie in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Die DAkkS stellt immer umfangreichere Forderungen und die Zertifizierungsgesellschaften sichern sich durch erhöhte Dokumentationspflichten dagegen ab. Ich höre z.B. von meinen Kunden, dass es schon Qualitätsunterschiede zwischen freiberuflich tätigen Auditoren und festangestellten Auditoren gibt. Unternehmen sind heute viel selbstbewusster im Audit als früher. Ich ermutige meine Kunden, sich bei Uneinigkeit stärker durchzusetzen. Schon in der Auswahl einer Zertifizierungsstelle sollten Unternehmen auf bestimmte Qualitätskriterien achten. Ich verweise – neben den fachlichen Anforderungen – immer auch auf die zwischenmenschliche (kommunikative) Ebene. Denn Unternehmen müssen mit einem Auditor für eine begrenzte Zeit „klarkommen“. Und dem Auditor muss es gelingen, mit den Mitarbeitenden eine professionelle Beziehungsebene herzustellen. Wenn es doch einmal Probleme gibt, ermutige ich Unternehmen, der Zertifizierungsstelle ein ehrliches Feedback zu geben.
„Kommunikation ist für mich der Schlüssel in der Beratung. Denn Sprache ist machtvoll, hier finde ich immer einen Anknüpfungspunkt.“
Welche wesentlichen Qualifikationsanforderungen von Auditoren sehen Sie heute?
Ein Auditor hat in einem Audit professionell aufzutreten. Er muss der Situation und der Zielgruppe angemessen kommunizieren und auch verhandeln können. Meinen Kunden sage ich immer: „Der Auditor ist Ihr Gast, auch wenn er weitreichende Befugnisse hat.“ Dafür braucht er/sie eine gute Reflexionsfähigkeit und Lernfähigkeit. Ich nehme manchmal wahr, dass es erfahrenen Auditoren durchaus schwerfällt, offen für Neues, Unbekanntes zu bleiben.
In meiner Rolle als Prüferin bei der Auditoren-Ausbildung merke ich schnell, wer in einem Audit entscheidungsfähig ist oder nur Normen interpretiert und sich windet, um nicht entscheiden zu müssen. Entscheiden zu können („Ist das Normen-konform oder eine Abweichung?“) ist eine der zentralen Kompetenzen, die ein Auditor braucht. Wer sich schon in der Auditoren-Ausbildung klar positioniert, der wird es später im Audit leichter haben. Wir brauchen Auditoren, die Klartext reden können. Die sich positionieren können, wenn es Beschwerden gibt.
Für wesentlich halte ich auch, dass man als Auditor dem Geschäftsführer nicht nur wiedergeben kann, welche Defizite es gibt, sondern im besten Falle die positiven Entwicklung aufzeigen kann. Der Auditierte muss merken, dass ihm jemand zuhört, Positives wie Negatives wahrnimmt. Das schafft Vertrauen. Die Rolle des Auditors ist eben nicht, nur Begutachter zu sein. Ein Auditor unterstützt dabei Organisationen zu entwickeln.
Wie können Auditoren in ihrer Entwicklung unterstützt werden?
Der Bedarf an Weiterentwicklung ist ein Grund, warum ich seit einiger Zeit auch ein Coaching-Angebot für Auditoren (interne wie externe) anbiete. Ich möchte neutraler Sparringspartner sein. Als Auditor ist man oftmals allein im Einsatz, ein qualifiziertes Feedback erhält man äußerst selten. Aus meiner Erfahrung ist es zum Beispiel wichtig, sich mit den eigenen Wahrnehmungsverzerrungen (Bias) auseinanderzusetzen. (z.B. mit Sympathien, die man empfindet, die aber den Blick verstellen können) Das zu reflektieren, geht am besten mit Jemandem, der nicht eingebunden ist. Eine Person, die mir hilft, die Perspektive zu wechseln und mich persönlich zu hinterfragen. Dann kommt etwas ins Rollen und im besten Falle entsteht etwas Neues. Ein Coaching hat auch den Vorteil, dass ich mich in einem geschützten Umfeld öffnen kann.
Sicher sind Erfahrungsaustausche auch eine gute Möglichkeit, Fragen aus dem Audit zu thematisieren. Erfahrungsaustausche von Auditoren haben allerdings den Nachteil, dass Auditoren sich vor einer großen Zahl an Kollegen ungern öffnen. Ich beobachte auch, dass Defizite eher bei Kunden gesehen werden. „Wenn ich auf diese Situation im Audit treffe und merke, der Kunde will das unbedingt, dann kann ich doch nichts machen.“ Oder „Wenn ich damit zu meinem Maschinenbauer gehe, dann habe ich schon verloren“ Über Fragen der eigenen Haltung oder Vorgehensweise kann man in einer großen Erfahrungsaustausch-Gruppe nur bedingt sprechen.
Sie halten das Zuhören für eine wesentliche Fähigkeit, die Auditoren abverlangt wird. Warum?
Für alle Auditoren – ob interne, Lieferanten- oder Zertifizierungs-Auditoren – gilt, Zuhören können, ist die wichtigste Fähigkeit. Das hat für mich drei Ebenen. Erstens: Das Schwerste am Zuhören ist, den Film in meinem Kopf abzustellen und nicht voreingenommen zu sein. Jeder Gesprächspartner löst auch in mir etwas aus. Das muss ich akzeptieren, aber auch damit umgehen. Neutralität zu wahren und so zu agieren, ist für Auditoren richtig Arbeit. Das Schwierigste für Auditoren ist, das eigene Gedankenkarussell auszuschalten. Auch das, was einen persönlich belastet: was einem auf dem Weg zum Audit passiert ist, warum man nachts schlecht geschlafen hat, was einen persönlich beschäftigt. Das darf im Audit keine Rolle spielen.
Zweitens: Häufig erlebe ich, dass Auditoren mit ihren Gedanken woanders sind und nicht zugehört haben. Der Gesprächspartner hat jedoch auf eine Reaktion gewartet, die nun ausbleibt. Im Coaching frage ich: „Was heißt für dich zuhören? Welche Reaktion deines Gesprächspartners hast du wahrgenommen? Warum hast du es vielleicht nicht wahrgenommen? Wie kannst du demnächst mit dieser Situation umgehen?“ Ich will damit anregen, mehr Mut im Audit aufzubringen und gelassener zu sein. Denn Zuhören heißt nicht, dass ich jedes Detail eines Audits mitschreibe. Nur muss ich das Wesentliche erfassen können. Man braucht als Auditor auch Mut zur Lücke.
Drittens. Als Auditor sollte man nicht ständig alles anzweifeln, was man hört. Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen verstellt das Gespür für die Situation. Sondern zeigen, dass man die andere Seite verstehen möchte. Das ist schwierig und geht nur, wenn die Person offen und bereit ist.
Welche Erfahrung haben Sie mit Audit-Teams gemacht?
Ich kann hier nur aus meiner Erfahrung mit internen Audit-Teams sprechen. Ich schule interne Auditoren für den Einsatz in Unternehmen. Da steckt viel Potenzial, denn interne Auditoren haben Lust darauf, ihr Unternehmen besser kennenzulernen. Dafür müssen interne Auditoren besser qualifiziert werden, damit sie dieser Aufgabe gerecht werden. Da interne Auditoren meist auch im Team auditieren und im Unternehmen angestellt sind, müssen sie sich anderen Fragen stellen als Zertifizierungs-Auditoren. Wie soll ich an das Audit mit einem Vorgesetzten gehen? Was mache ich, wenn so eine Situation auftritt? Welche Haltung habe ich zum Audit? Ich motiviere immer: Seien Sie neugierig, stellen Sie Fragen. Der interne Auditor arbeitet mit Kollegen, die er am nächsten Tag vielleicht in der Kantine wieder trifft. Deshalb ist Rolle und Selbstverständnis als interner Auditor eine der wichtigen Fragen.
Liebe Elke Meurer, vielen Dank für das Gespräch und den spannenden Blick in Ihre Beratungsarbeit.
Über Elke Meurer
Bei Elke Meurer dreht sich seit mehr als 20 Jahren alles um Qualitätsmanagement, Audits und Menschen. Sie ist Unternehmensberaterin für den Mittelstand und unterstützt den Aufbau und die Weiterentwicklung von QM-Systemen in Handwerk, Dienstleistung, Produktion und Handel.
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