Praxistipps für Auditoren

Gutes Zeitmanagement im Audit

So wenig Zeit und noch so viel Auditthemen zu erledigen! Zeitmanagement ist im Audit nicht einfach. Trotz Auditplan tritt Unvorhersehbares ein, dauert der Audit-Dialog länger, um ein Problem einzugrenzen. Auditoren mit hohen Anspruch kommen schnell in zeitliche Bedrängnis. Absolut perfekt geht jedoch nicht! Was hilft? Andrea Kruck meint: Mit Veränderungen rechnen, sich auf das Wesentliche beschränken, Mut zur Lücke haben.

Kennen Sie das? Sie haben nur noch so wenig Auditzeit zur Verfügung. Doch es gibt noch so viele offene Punkte im Auditplan. Und dann stellen Sie neue Aspekte fest, denen Sie im Audit unbedingt nachgehen wollen, weil Sie möglicherweise Nichtkonformitäten darstellen. Es gibt aber auch den anderen Fall. Die veranschlagte Auditzeit ist scheinbar viel zu großzügig bemessen. Sie wissen gar nicht mehr, was Sie eigentlich noch auditieren sollen. Wie konnte es - trotz sorgfältiger Auditplanung – nur so weit kommen?
Zeitdruck ist in einem Audit vorangelegt. Zum einen gibt es die Normen-Vorgaben, die genau den Auditzeitaufwand regeln. Das auditierte Unternehmen hat selbstverständlich auch ein großes Interesse daran, dass sich die Auditzeiten „im Rahmen bewegen“ und das nicht nur, weil Kosten gespart werden sollen. Die Zertifizierungsstelle hat den Zeitaufwand (vor allem auch bei Vor- und Nachbereitung) im Blick, denn das Audit soll kostendeckend durchgeführt werden. Und nicht zuletzt der Auditor mit seiner Persönlichkeitsstruktur – zum Beispiel ein besonders gewissenhafter Kollege – steht unter Zeitdruck.

Was beeinflusst das Zeitmanagement im Audit?

Wie bereits dargestellt, gibt es für die zu veranschlagende Auditzeit klare Regeln (siehe IAF Mandatory Documents). Kriterien sind z.B. die Mitarbeiteranzahl, Standortanzahl und die Komplexität eines Unternehmens. Danach kann die Zeit kalkuliert werden. Darüber hinaus gibt es Faktoren, die die Auditzeit reduzieren, wie z.B. Vorkenntnisse der Organisation oder eine gute Vorbereitung des Kunden. Fehlt es einem Auditor hier an Erfahrung bei der Einschätzung oder gibt es dann im Audit „Überraschungen“, dann ist der Auditzeitplan schnell hinfällig. Für Managementsystem-Audits gilt der Grundsatz des risikobasierten Auditierens. Und schließlich werden in einem Audit nicht alle verfügbaren Informationen geprüft, sondern der Auditor beschränkt sich auf Stichproben. Es geht also nicht um „vollumfänglich“ und „in jedem Detailgrad“, sondern darum die Konformität und Wirksamkeit bezogen auf das Erreichen der Ziele eines Managementsystems zu bewerten.

Das Gefühl oder die Tatsache, dass die Zeit zu knapp oder zu großzügig bemessen ist, entsteht oft durch eine Vielzahl an weiteren Einflussfaktoren.

Die Rahmenbedingungen der zu auditierenden Organisation

  • Die Organisation hat sich seit dem letzten Audit verändert, darüber wurden Sie nicht informiert.

  • Die Ziele, der Kontext oder die Risiken des Unternehmens haben sich (seit dem letzten Audit) verändert.

  • Die Organisation hat sich (überraschend) geändert. Ein Führungskräftewechsel oder neue/andere Auditbeteiligte.

  • Das Unternehmen hat neue Produkte und Dienstleistungen auf den Markt gebracht.

  • Das Unternehmen hat frühere oder neue Bereiche/Prozesse via Insourcing in die Organisation integriert. Oder via Outsourcing Prozesse in andere Bereiche/Unternehmen verlagert.

  • Das Unternehmen steht vor einem massiven Personalabbau im Rahmen eines Restrukturierungsprogramms. Es sind bereits Mitarbeiter nicht mehr im Unternehmen.

Die Person des Auditors

  • Sie haben noch keine tiefgehende Kenntnis der zu auditierenden Organisation. Beim ersten Audit-Besuch müssen Sie zunächst den Kontext des Unternehmens verstehen lernen. Der zweite Audit-Besuch gibt Ihnen dann mehr Raum und Audittiefe in den Prozessen.

  • Ihre Erfahrung mit „Zeitfressern“ im Audit ist noch nicht ausgeprägt. Den Auditprozess führen, zuhören, mitschreiben, Informationen einordnen, Konformität und Wirksamkeit bewerten und dann noch die Auditatmosphäre im Blick haben – diese Komplexität zu meistern erfordert Multitasking Fähigkeiten.

  • Sie sind noch nicht so geübt im Umgang mit schwierigen oder überraschenden Situationen oder mit Konflikten.

Im Auditprozess selbst

  • Unvorhergesehene Auditaspekte tauchen auf, denen Sie als Auditor nachgehen müssen, um Konformität oder Nichtkonformität bestätigen zu können.

  • Die überraschende Abwesenheit von geplanten Auditteilnehmern.

  • Unangemeldete Parallelbesuche von staatlichen Behörden, die die gleichen Ressourcen im Unternehmen binden.

  • Sprachbarrieren bei Auditteilnehmern oder IT-Systeme, die zum Zeitpunkt des Audits nicht funktionieren, wie sie sollten.

  • Auditbeteiligte, die bewusst und kreativ versuchen, auf Zeit zu spielen: Zum Beispiel, Auditteilnehmer, die Informationen geben, nach denen der Auditor nicht fragt. Oder die Ablenkung durch ausgedehnte Mittagspausen. Oder Unterbrechungen durch wichtige Kundentelefonate. (Die Liste der kreativer „Zeitfresser“ kann sehr lang werden)

"Rechnen Sie immer mit Veränderungen - in jede Richtung. Betrachten Sie das Audit nicht als statisches Wiederholungsprozedere oder mit dem Gedanken „Wird schon schiefgehen.“ Auditoren stehen immer unter Zeitdruck. Das kann dazu führen, dass Sie Dinge, die möglicherweise wichtig sind, weglassen. Oder Sie denken, das Audit muss doch perfekt sein. Die Praxis zeigt, dass Auditoren dazu neigen, Perfektionisten zu sein."

Andrea Kruck

Ein nützliches Mantra ist: Haben Sie Mut zur Lücke! Denn Sie müssen nicht alles auditieren. Risikobasiertes Auditieren ist die Normenanforderung und natürlich eine Frage der Erfahrung und Berufspraxis. Haben Sie Vertrauen, dass der von Ihnen begleitete Prozess gut werden wird. Das wird Ihnen den Druck nehmen. Das heißt auch: Man muss an der richtigen Stelle aufhören, zu fragen.

Tipps aus dem Methodenkoffer

Auditziele und -kriterien (also den Auditauftrag) bewusst machen: Bei 3rd-party Audits ist das Auditziel beispielsweise die Feststellung der Konformität und Wirksamkeit mit dem Auditkriterium. Bei Lieferantenaudits könnte das Auditziel die Lieferantenzulassung, eine Potenzialbewertung oder eine Produktionsüberwachung sein. Klären Sie also mit Ihrem Kunden genau den Auditauftrag, damit Sie sich nicht verzetteln.

Zeit in gute Planung & Vorbereitung investieren: Schon vor der Auditplanung sollten Sie mit der zu auditierenden Organisation sprechen und sich über mögliche Veränderungen informieren. Berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Auditplanung und minimieren Sie „Überraschungen“.

Relevanz durch risikobasiertes Auditieren: Planen Sie Ihre Stichproben risikobasiert und passen Sie diese notfalls im Audit an. Risikobasiertes Auditieren bedeutet, dass Sie die Stichproben so auswählen, dass Sie damit Konformität und Wirksamkeit bewerten können. Und zwar bezogen auf negative und positive Auswirkungen in Hinblick auf das Erreichen der Unternehmens- und Managementsystemziele. Beispiele: Wechselt in einem Prozess die zuständige Führungskraft? Wird eine neue Maschine/Anlage benutzt? Wird ein neues IT-System eingeführt? Dann können daraus Risiken und Chancen entstehen. Ein Auditor berücksichtigt diese Änderungen bei seiner Stichprobenplanung.

Den Auditprozess aktiv steuern: Sie sind für den Auditprozess (und das Gespräch) verantwortlich. Wird Ihnen der Prozess z.B. von einem Vielredner oder selbstbewussten Gesprächspartner aus der Hand genommen, wirkt sich das auf Ihr Zeitmanagement negativ aus. Holen Sie sich die Gesprächsführung zurück. Sie stellen die Fragen. Sie entscheiden, welcher Aspekt vertieft werden soll.

Komplexität managen, im Zweifel „Mut zur Lücke“: Steigt im Audit die Komplexität? Ist die Informationsmenge gerade nicht zu bewältigen? Dann fragen Sie sich: Welchen Aspekt nehme ich mir jetzt raus, der dem Unternehmen vielleicht weiterhilft. Beispiel: Sie haben mit letzten Audit schon gute Ansätze gesehen, die allerdings noch nicht „im grünen Bereich“ waren. Oder Sie hatten das Gefühl, dass sich beim letzten Audit in einem kritischen Aspekt etwas bewegt hat und verstanden wurde.

Audit-Check machen: Wenn im Auditplan ein Punkt mit einer Stunde veranschlagt ist, so stellen Sie die innere (oder echte) Uhr am besten auf 40 oder 45 Minuten ein. Fassen Sie dann kurz zusammen: »Wir haben jetzt über XXX gesprochen. Dazu habe ich mir fünf Punkte notiert. Die möchte ich hier gern noch mit Ihnen besprechen.« Nicht nur auf die Auditatmosphäre wirkt es positiv, wenn Sie dann schon ein erstes (kurzes) Zwischenfeedback geben. Sie werden dann merken, was noch fehlt (zum Beispiel Nachweise für das Formulieren einer Nichtkonformität), wo es noch hakt oder wo Sie nochmals vertiefen müssen.

Auditergebnisse und Prozess reflektieren: Ruhe/Gesprächspausen im Audit aushalten können: Davor scheuen sich viele. Das ist wie in einem Bewerbungsgespräch: Man fürchtet die Minute der Ruhe, in der man selbst nachdenkt oder reflektiert. Sie können jedoch bei einer Stunde Audit ständig unterbrechen oder sich zurückziehen, um diese Ruheminute zu bekommen. Geben Sie sich selbst die Erlaubnis, sich gedanklich zu sammeln und zusammenzufassen. Und geben Sie diese kurze Gesprächspause auch dem Kunden, damit er sich sammeln kann. Die Kunden finden das übrigens in den meisten Fällen gar nicht störend, eher im Gegenteil.

Auditplanung ggf. während des Audits anpassen: Reflektieren Sie schon während des Audits kurz mit den Auditbeteiligten zum bisherigen Auditablauf. Sind wir noch im Plan? Was ist gut gelaufen? Was wollen wir morgen anders/ besser machen? Sind Abwesenheiten zu erwarten? Wie wollen wir damit umgehen?

Fazit

Audits sind auf Zeit angelegt. Für ein optimales Zeitmanagement gibt es keine einfachen Lösungen, um die Auditziele zu erreichen. Sie müssen im Audit von jetzt auf gleich entscheiden, wie Sie vorgehen und können nicht abwarten und sehen was geschieht. Sie meistern damit hohe Komplexität! Der Zeitdruck sorgt zusätzlich für eine Fehleranfälligkeit.
Die Arbeit des Auditors wird deshalb durch viele erprobte Methoden, Routinen, Checklisten und Normenfestlegungen unterstützt. Mit der Zeit entwickeln Sie gewisse Zeit-Routinen, die Sie bei unvorhersehbaren Situationen vor Fehleinschätzungen schützen können. Nutzen Sie die Planungsroutinen, probieren Sie aus und haben Sie auch einmal Mut zur Lücke. Reflektieren Sie nach dem Audit über die Situation, Ihr Vorgehen und die Überraschungen, mit denen Sie konfrontiert wurden. Welche Wirkung/Nebenwirkung hatte dieses Zeitproblem? Lässt sich das im nächsten Audit durch veränderte Planung verbessern? Gibt es Alternativen?

Was können Prüfdienstleister und QM-Abteilungen tun, um ihre Auditoren zu unterstützen?

Unterstützen Sie Ihre Auditoren, indem Sie Methoden und Tools zur Unterstützung anbieten und gerade zu Beginn der Tätigkeit bei der Vorbereitung, Umsetzung und Nachbereitung von Audits mit Planungsroutinen unterstützen. Machen Sie Erfahrungsaustausche und die Unterstützung durch kollegiale Fallberatung möglich. Wenn Sie mit uns das Thema vertiefen möchten oder nach Möglichkeiten der Auditoren-Entwicklung suchen, wir beraten Sie gern.

Diese Praxistipps stärken Auditoren u.a. in den folgenden Kompetenzbereichen gemäß der DIN EN ISO 19011

Gewissenhaftigkeit – aktiv beobachten
Offenheit für Neues – offen für Verbesserungen sein, sich an verschiedene Situationen anpassen
Informationsverständnis – effizient mit Komplexität umgehen
Belastungsfähigkeit - rechtzeitig Schlussfolgerungen ziehen

Zu den Autorinnen
Für die kollaborative Beitragsserie „Praxistipps für den Auditoren-Alltag“ freuen wir uns, mit einer Gastautorin zusammenzuarbeiten, die sich mit großer Leidenschaft für die Weiterbildung von Auditoren einsetzt und praxisnah aus dem Alltag berichtet.

Andrea Kruck hat viele Jahre als Auditorin, Trainerin und Coach bei namhaften Unternehmen der Prüfdienstleistungsbranche gearbeitet. Sie war als Trainerin und Akademieleiterin für die Auditorenaus- und weiterbildung maßgeblich verantwortlich.

Ina Westphal ist Personalberaterin und Geschäftsführerin von Hellmund. Die Personalberater. Sie besetzt seit vielen Jahren Führungs- und Expertenfunktionen in der TIC-Branche und in Qualitäts- und Nachhaltigkeitsabteilungen bei Unternehmen. Ein Schwerpunkt und Herzensthema ist für sie der Auditorenberuf.