Praxistipps für Auditoren

Gute Gesprächsführung lenkt das Audit

Systematisch gestaltete Kommunikation sorgt dafür, dass ein Audit sein Ziel erreicht. Wenn im Audit Menschen zusammentreffen und miteinander kommunizieren, treten vielfältige Probleme auf, denn es „menschelt“. Das Gespräch strukturiert führen, die richtige Fragetechnik anwenden, lösungsorientiert kommunizieren, Konflikte meistern und eine gute Audit-Atmosphäre im Blick haben. Das ist höchst anspruchsvoll. In diesem Beitrag erläutern wir, wie die Gesprächsführung ein Audit optimal lenkt.

Auditoren wird viel abverlangt in ihrer Rolle. Die Normenanforderungen sind in Hinblick auf die Kommunikations-Kompetenzen komplex. Die EN ISO 19011:2018 beschreibt, dass ein Auditor Prioritäten zu setzen und sich auf Fragen von Bedeutung zu konzentrieren und wirksam zu kommunizieren und Informationen mittels wirksamen Befragens zu sammeln hat. Die DIN EN ISO/IEC 17021:1 führt aus, dass ein Auditor sprachliche Fertigkeiten haben soll, um auf allen Ebenen innerhalb einer Organisation des Kunden angemessen zu kommunizieren. Gute Gesprächsführung und lenkende Kommunikation im Audit sind also Kernkompetenzen des Auditors.

Warum gute Gesprächsführung im Audit nicht einfach ist

Ein Auditor bringt diese kommunikativen Fertigkeiten meist aus seiner früheren Berufspraxis mit, so die graue Theorie. Dennoch berichten (in Ausbildung befindliche) Auditoren oft davon, dass die Kommunikation und Gesprächsführung in Audits irgendwie anders und zugleich schwierig ist. Denn in der bisherigen Berufspraxis haben die meisten Zertifizierungsauditoren in der Gesprächsführung anders agiert. Nun müssen sie sich von Personen oder Situationen abgrenzen können. Sie dürfen keinesfalls beraten, auch wenn ihnen ein Rat auf der Zunge liegt. Sie sollen analytisch zuhören, Nuancen erfassen und aus mehrdeutigen Situationen eindeutige Fakten ermitteln (Ambiguität bewältigen). Und auch erfahrenen Auditoren kann es hin und wieder passieren, dass sie das Gefühl beschleicht, die Gesprächsführung wäre ihnen irgendwie entglitten. Das führt dazu, dass sie unzufrieden mit dem Auditverlauf sind.

Was leistet Gesprächsführung im Audit?

Neben einer guten Audit-Planung (Zeitmanagement) ist eine strukturierte Gesprächsführung essenziell. Sie stellt sicher, dass Auditoren:

  • das Auditziel in der vorgesehenen Zeit erreichen. (z.B. geplante Auditpunkte systematisch abarbeiten, objektive Nachweise in ausreichender Zahl sammeln für die Bewertung des Managementsystems)

  • den Auditprozess verantwortlich führen. (z.B. in dem der Auditor das Gespräch zielorientiert und systematisch führt und die Gesprächsführung in Händen behält, risikobasiert auditiert)

  • Sachverhalte ermitteln und bewerten (z.B. durch gezieltes Sammeln von Informationen, um die Auditziele zu erreichen durch den Einsatz von Techniken zur Informationsgewinnung)

  • eine vertrauensvolle Auditatmosphäre aufbauen und aufrechterhalten. (z.B. durch Kommunikation, die unterschiedliche Zielgruppen berücksichtigt, bzw. durch eine offene Ansprache in konfliktträchtigen Situationen)

Berufserfahrene, die sich zum Auditor ausbilden lassen, fragen häufig nach einem Leitfaden oder einer Vorlage, um ein ganzes Audit und ein Auditgespräch zu strukturieren und um die komplexen Anforderungen auch umsetzen zu können. Die Gefahr solcher Leitfäden und Vorlagen besteht darin, dass Audits dadurch stark schematisiert oder gar ritualisiert werden. Wendet man „Leitfäden“ in jedem Audit in immer gleicher Weise an, besteht die Gefahr, dass Sie als Auditor keine relevanten Informationen mehr gewinnen oder Ihnen gar neue Aspekte entgehen.

Warum ein starrer Gesprächsleitfaden im Audit nicht hilfreich ist

  • Sie können unterschiedliche Erwartungen der Auditteilnehmer nicht bedienen.

  • Die Auditerfahrungen (Auditor / Auditierter) sind höchst unterschiedlich. Routine und Erfahrung machen es für alle Beteiligten zwar einfacher, stellen aber auch eine Gefahr da (Ritualisierung).

  • Für (unvorhersehbare) Widerstände im Audit bietet ein starrer Gesprächsleitfaden keine Lösung.

  • Ein interner Auditor nimmt eine ungewohnte Rolle ein, z.B. ein Mitarbeiter auditiert intern eine Führungskraft, die jetzt Fragen beantworten soll, obwohl er/sie normalerweise Fragen stellt. Ein Gesprächsleitfaden gibt hier zwar Sicherheit, kann jedoch auftretende Konflikte nur bedingt lösen.

  • Audits unter Zeitdruck und Stress: „Eigentlich habe ich gar keine Zeit für ein Audit, weil der Kunde heute noch ein Angebot braucht.“ Hier nimmt ein starrer Gesprächsleitfaden die Flexibilität.

Die Erfahrung aus vielen Audits zeigt, mit Checkliste auditieren führt meist zu „verschultem“ Abfragen von Informationen. Dadurch werden relevante Situationen nicht erfasst, beobachtet und besprochen. Das birgt das Risiko, Zwischentöne nicht zu erfassen, was das risikobasierte Auditieren erschwert. Das Audit erzielt keinen Nutzen und Mehrwert. Nicht zu vergessen, dass schematisches Fragen eindeutig negativ die Gesprächsatmophäre beeinflusst. Diese Form des Checklisten-Audits findet häufig bei internen Audits und Lieferantenaudits Anwendung, um eine „Mess- und Vergleichbarkeit“ zu erlangen.

Komplex und mehrdeutig wird es, wenn sich dem Auditor mitten im Gespräch mehrere Auditpfade eröffnen. Ein Beispiel: Der Auditor stellt eine Frage, um einen bestimmten Sachverhalt zu ermitteln. Als Antwort erhält er jedoch weitere/ergänzende Informationen. Ihm wird klar, dass diese Informationen auch für andere Auditsachverhalte relevant sein können. Das ist Fluch und Segen zugleich. Denn der Auditor muss entscheiden, welchen „Pfad“ er weiterverfolgt. Damit ist er im Auditgespräch in einer „Dauerentscheider“-Situation. Folge ich mit meinen Fragen meinem Ausgangspfad? Ist das, was ich gerade höre, so wichtig, dass ich diese „Fährte“ jetzt aufnehmen muss? Gute Entscheidungskriterien liefert der risikobasierte Ansatz. Kennt der Auditor die Risiken bereits, wird er die relevanten Pfade weiterverfolgen. Denn Auditpfade entstehen, wenn man zu einem bestimmten Zeitpunkt mit den objektiven Nachweisen noch keine finale Bewertung zu Konformität und Wirksamkeit abgeben kann. Dann werden weitere Nachweise gesammelt.

Haben wir Zuhören verlernt? Tipps für einen offenen Kommunikationsstil im Audit.

Oftmals nehmen wir uns nicht die Zeit, anderen in Gesprächen wirklich zuzuhören und ihren Gedanken zu folgen. Wir hören zwar den Gesprächspartner, formulieren aber in Gedanken bereits eine Antwort oder Entgegnung. Wir antworten direkt, bringen das Gespräch vielleicht sogar mit Selbstauskünften zum Erliegen („Verstehe, das habe ich so auch schon einmal erlebt“). Dadurch nehmen wir die Nuancen eines Gespräches nicht mehr ausreichend wahr. Uns entgehen wichtige Details. Das wird für Auditoren dann ein Problem, wenn sich aus den „Nuancen“ des Erzählten Risiken oder Abweichungen ergeben.

Die Lösung? Bleiben Sie offen gegenüber einem anderen Kommunikationsstil.

Nutzen Sie responsives Zuhören

Schritt 1: Hören Sie bis zum Ende zu, auch wenn sich eine strittige Situation anbahnt.

Schritt 2: Unterdrücken Sie den Impuls zu kontern/widersprechen/ins Wort zu fallen.

Schritt 3: Nehmen Sie die Gedanken/Gefühle des anderen zunächst auf, ohne zu widersprechen.

Schritt 4: Wiederholen Sie das Gesagte mit Ihren Worten, fragen Sie, ob Sie das richtig verstanden haben.

Schritt 5: Bitten Sie Ihren Gesprächspartner, dass er Ihren Eindruck korrigiert oder seinen Standpunkt näher erläutert.

Schritt 6: Bewahren Sie sich Ihre Antwort für später auf, wenn es um kontroverse oder unklare Sachverhalte geht. Geht es um weniger gewichtige Dinge, machen Sie eine Pause. Fragen Sie dann, ob Ihr Gegenüber bereit ist, sich Ihre Gedanken anzuhören.

Ihr Vorteil? Liegen Sie richtig, spürt Ihr Gegenüber verstanden worden zu sein. Liegen Sie nicht richtig, kann er Ihnen Rückmeldung geben.

Wie man das Audit bzw. Auditgespräche trotzdem gut strukturieren kann.

Es bleibt die Frage, wie baue ich das Gespräch auf? Welche Fragen stelle ich wann genau? Womit fange ich an, wie höre ich auf? Soll ich mit oder ohne Checkliste auditieren? Die Fragemethodik ergibt sich zunächst aus dem Auditkriterium. Soll beispielsweise ein Audit nach einer Managementsystemnorm geführt werden, so liefern der PDCA-Zyklus und der prozessorientierte Ansatz geeignete Fragen.

Für die Strukturierung eines Audits (auch mehrtägig) oder eines einzelnen Auditgesprächs (z.B. Audit des Einkaufsprozesses) eignet sich das 7 Stufen-Auditgesprächskonzept, das im Einklang mit den Anforderungen der ISO 19011 steht.

Tipps aus dem Audit-Methodenkoffer

„Wer fragt, der führt“ Das gilt insbesondere für Audits. Stellt der Auditierte fortwährend Nachfragen, kann das ein Indikator dafür sein, dass Ihnen die Gesprächsführung langsam entgleitet. Holen Sie sich die Gesprächsführung zurück, in dem Sie zunächst auf die Frage antworten. Verweisen Sie klar auf das Auditziel und sichern Sie das gemeinsame Verständnis dazu. Führen Sie den Dialog mit Ihren Fragen fort.

Dem richtigen Auditpfad folgen: Sie erhalten im Gespräch weitere/ergänzende Informationen, die für andere Auditsachverhalte relevant sind. Es eröffnen sich damit weitere Pfade: Welche sind es? (Machen Sie sich Notizen) Welcher Pfad verspricht relevante Informationen zu generieren, um den aktuellen Sachverhalt zu klären? Haben Sie den Mut zu entscheiden (und die Entscheidung auszuhalten), dass Sie die anderen Pfade im Augenblick nicht verfolgen können.

Gesprächsanteil Auditor/Auditierter: Der Gesprächsanteil des Auditors sollte grundsätzlich nicht mehr 20 bis 30 Prozent betragen. (Abhängig von der Auditerfahrung).

Aktiv Zuhören: Das wichtigste Handwerkszeug des Auditors? Fragen stellen und Raum für Nachdenken und Antworten zu lassen. Pausen und Stille aushalten ist schwierig, aber hilft ungemein. Sie signalisieren Interesse und geben Raum, Informationen zu verarbeiten. Halten Sie Augenkontakt, setzen Sie aufmunternde Signale. Unterlassen Sie alles, was als Tadel ausgelegt werden könnte. Wird die Pause zu lang, fragen Sie nach, ob Sie dieses oder jenes richtig verstanden hätten oder fassen Sie Bisheriges zusammen.

Keine Prüfungsatmosphäre erzeugen. Das Audit-Setting ist entscheidend für die Atmosphäre. Streben Sie eine offene Gesprächskultur auf Augenhöhe an, sollte sich das auch in Ihrer Haltung und den Gegebenheiten ausdrücken. Vorschläge für das Gespräch auf Augenhöhe: Steht Ihr Gesprächspartner, dann stehen Sie doch ebenfalls auf. Oder suchen Sie ruhige und ungestörte Orte für die Auditgespräche. Versuchen Sie im Sitzen keine Frontalposition einzunehmen. Lassen Sie Störungen im Audit nicht zu, fordern sie die Ungestörtheit ggf. aktiv ein.

Wir auditieren Prozesse, nicht Menschen. Wir bewerten die Konformität und Wirksamkeit des Systems, nicht Mitarbeitende und Führungskräfte. Kein „Tadel“ und keine persönliche Bewertung im Audit. Formulieren Sie deshalb besser passiv: Wie läuft der Prozess der Bearbeitung der Kundenanfrage ab“ statt „Wie arbeiten Sie diese Kundenanfrage ab?“.

Geben Sie Sicherheit: Bei Nervosität des Auditierten hilft der Hinweis, dass andere im Raum befindliche Kollegen auch antworten können oder der Hinweis, dass etwas gemeinsam überprüft wird. Wenn beispielsweise beim Auditierten gerade das IT-System abgestürzt ist und dieser nervös wird, dann überbrücken Sie mit etwas Small Talk und schauen Sie ihm möglichst nicht die ganze Zeit zu, wie er versucht, den Fehler zu beheben.

Jeder hat mal schlechte Tage: Alle Auditteilnehmer können auch mal einen „schlechten Tag“ haben. Wichtig ist, angemessen und offen damit umzugehen. Unser Tipp: Managementsysteme fördern die Fehlerkultur. Als Auditoren sind wir Botschafter dafür. Fehlertoleranz, Geduld zu haben und auch die eigene „Schwäche“ angemessen zuzugeben, kann in einem Audit Vertrauen aufbauen. 

Fazit

In Audits herrscht nicht nur Zeitdruck, der Auditor soll die Gespräche mittels geeigneter Struktur und Führung so lenken, dass das Auditziel erreicht wird. Beide Seiten – Auditor wie Auditierte – verfolgen dabei eigene legitime Interessen und Ziele. Ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander und eine gute Gesprächsstruktur tragen zum Gelingen eines Audits bei. Ein professionell geführtes Audit klärt Fragen, Anliegen und Themen, zeigt Probleme und die Sichtweisen aller Parteien auf.

Was können Prüfdienstleister und QM-Abteilungen tun, um ihre Auditoren zu unterstützen?

Unterstützen Sie Ihre Auditoren, indem Sie Methoden und Tools zur Anwendung professioneller Gesprächsführung anbieten. Dies kann – neben Qualifikationsmaßnahmen – am besten durch Anwendung, also durch Erfahrungslernen, Coaching und Mentoring gelingen. Das Auditgespräch unterscheidet sich von fachlichen Dialogprozessen in Unternehmen. Nicht von ungefähr berichten Auditoren davon, dass Auditdialoge anders sind. Nutzen Sie Erfahrungsaustausche und die Unterstützung durch kollegiale Fallberatung. Wenn Sie mit uns das Thema vertiefen möchten oder nach Möglichkeiten der Auditoren-Entwicklung suchen, wir beraten Sie gern.

Diese Praxistipps stärken Auditoren u.a. in den folgenden Kompetenzbereichen gemäß der DIN EN ISO 19011

Funktionale Kommunikation – effektiv mit auditierter Organisation interagieren

Kontaktfähigkeit – in Gesprächsführung aufnahmefähig sein, Situationen verstehen

Autonomie – Standfest sein, ausdauernd auf das Erreichen der Ziele fokussieren

Belastungsfähigkeit - rechtzeitig Schlussfolgerungen ziehen

Zu den Autorinnen
Für die kollaborative Beitragsserie „Praxistipps für den Auditoren-Alltag“ freuen wir uns, mit einer Gastautorin zusammenzuarbeiten, die sich mit großer Leidenschaft für die Weiterbildung von Auditoren einsetzt und praxisnah aus dem Alltag berichtet.

Andrea Kruck hat viele Jahre als Auditorin, Trainerin und Coach bei namhaften Unternehmen der Prüfdienstleistungsbranche gearbeitet. Sie war als Trainerin und Akademieleiterin für die Auditorenaus- und weiterbildung maßgeblich verantwortlich.

Ina Westphal ist Personalberaterin und Geschäftsführerin von Hellmund. Die Personalberater. Sie besetzt seit vielen Jahren Führungs- und Expertenfunktionen in der TIC-Branche und in Qualitäts- und Nachhaltigkeitsabteilungen bei Unternehmen. Ein Schwerpunkt und Herzensthema ist für sie der Auditorenberuf.