TIC-Branche

Auditoren dringend gesucht

Gefährdet der Fachkräftemangel die Zukunft der Prüfdienstleister-Branche?

Die Prüfdienstleister in Deutschland stehen schon seit Jahren vor immer größer werdenden Herausforderungen bei der Besetzung von Auditoren-Stellen. Hierfür gibt es unterschiedliche Gründe und es fehlt bisher an einer langfristig wirksamen Lösung für das Problem. Ein Debattenbeitrag.

Auditoren sind für Prüfdienstleister in Deutschland das, was man als wahren Schatz bezeichnen könnte. Schaut man sich die Karriereseiten der Prüfdienstleister in Deutschland an, wird deutlich: Egal ob Großkonzern oder kleine Zertifizierungsstelle – Mangel herrscht offenkundig überall. Für diesen Mangel gibt es viele und sehr unterschiedliche Gründe. Einige sind der demografischen Entwicklung geschuldet, andere sind in der Branche und in den Unternehmen selbst zu finden. Es fehlt – und das ist in den letzten Jahren in der TIC-Branche deutlich geworden – an einer langfristigen Idee und Lösung für das Problem des Fachkräftemangels. Spricht man mit HR- und Management-Verantwortlichen der Branche, wie dem Mangel an Auditoren begegnet werden könnte, zeigt sich, dass mittlerweile auch eher ungewöhnliche Lösungen diskutiert werden. Was also sind die Gründe für den Mangel an qualifizierten Auditoren und welche Lösungen könnten helfen?

Grund 1: Eine ganze Kohorte von Auditor:innen geht in der nächsten Dekade in den Ruhestand

Die demografische Herausforderung ist nicht erst seit gestern bekannt. Die Reaktion der Prüfdienstleister darauf nehmen wir jedoch noch immer als sehr zurückhaltend wahr. Auditoren werden permanent gesucht und eingestellt. Doch vollausgebildete und zugelassene Auditoren gibt es immer weniger. Auditoren können nämlich erst berufen/zugelassen werden, wenn sie etliche Jahre Berufserfahrung in einer Branche und einem Expertenbereich haben, denn es handelt sich nicht um einen klassischen Beruf, den man studieren oder erlernen kann. Damit wird klar, dass Auditoren per se ihren Job erst im mittleren Alter beginnen können. Allerdings ist die Zielgruppe der Experten im Arbeitsmarkt ohnehin stark umkämpft. Und jetzt rollt die Pensionierungswelle bei den Prüfdienstleistern unaufhaltsam: Ein großer Teil der (festangestellten) Auditoren bei den Prüfdienstleistern gehört der Generation der geburtenstarken Jahrgänge (der Alterskohorte zwischen 1955 und 1969) an. Und diese Auditoren gehen ab jetzt Jahr für Jahr in Rente. Doch damit nicht genug: Nicht nur, dass dann Fachexperten fehlen, die vor Ort beim Kunden tätig werden, ihr umfangreiches Erfahrungswissen geht mit in Rente. Das Erfahrungs- oder implizite Wissen der Auditoren aus jahrzehntelanger Tätigkeit geht unwiederbringlich verloren. Die Wissensübergabe und -sicherung erfolgt meist noch nicht in strukturierter Form. Damit sind sowohl Arbeitskraft als auch Wissensspeicher weg.

Lösungsansätze:

  1. Auditoren-Nachwuchs aufbauen und ausbilden: Die Erstausbildung von berufserfahrenen Experten zu Auditoren stärker forcieren und langfristig Bedarfe planen.

  2. Die „stille Reserve“ heben, also Auditoren jenseits der 60 Jahre oder jenen Berufserfahrenen nach der Erziehungszeit individuelle Angebote für eine Wieder- oder Weiterbeschäftigung machen.
    3. Talentpool „Ehemalige“ aufbauen: Auch das ist eine Variante, um Reserven zu aktivieren. Frühere Auditoren wissen vielleicht zu schätzen, was sie bei ihrem ehemaligen Arbeitgeber hatten. Und vielleicht kehren sie nach vielen Jahren auch aus alter Verbundenheit wieder zurück, weil der Job jetzt interessanter und die Arbeitsatmosphäre noch immer gut und angenehm ist.

  3. Mentoring entwickeln: Auditoren kurz vor oder im Ruhestand arbeiten noch als Mentoren an der Seite der Kollegen mit wenig Auditerfahrung.

Grund 2: Auditoren in Festanstellung sind inzwischen Mangelware.

Wer sich als Auditor ausbilden und zulassen lässt, fängt – so eine häufige Karriereoption – zunächst in Festanstellung bei einem Prüfdienstleister an. Hier kann er praktische Erfahrung sammeln, sich erproben und ist mit Audit-Aufträgen ausgelastet. Denn Arbeit gibt es wirklich genug. Der Job ist spannend, keine Frage, er ist aber auch – je nachdem, wie Auditoren eingesetzt werden – sehr fordernd. Auditoren für viele der komplexen DIN- & ISO-Regelwerke sind mindestens drei bis vier Tage auf Reisen. Zudem muss jedes Audit vor- und nachbereitet werden. Das Reisen wird mit zunehmenden Alter immer fordernder. Die Vorteile für festangestellte Auditoren liegen auf der Hand: ein festes Gehalt, die Sicherheit eines Arbeitsplatzes, viel Abwechslung durch immer neue Kunden, permanente Weiterbildung und Entwicklung. Wir beobachten aber auch seit Jahren, dass bei vielen Auditoren mit der Zeit der Wunsch wächst, diese Aufgabe aus der Selbständigkeit heraus zu erledigen. Vieles spricht dafür: Die Kunden kennen und schätzen die geleistete Arbeit. Der freie Auditor bestimmt, welches Projekt und wie viele davon er übernimmt. Er erwirtschaftet das Honorar für sich allein und kann davon gut leben. Der Trend, von der Festanstellung in die Selbständigkeit zu wechseln, ist ungebrochen: Für Prüfdienstleister einerseits ein Problem, weil die Arbeitskraft verloren geht. Sie bringt aber in gewisser Weise auch etwas mehr Flexibilität, denn freiberufliche Auditoren können je nach Expertise in geringem wie großem Umfang eingesetzt werden. Das unternehmerische Risiko trägt jetzt der Auditor. Aber ein freier Auditor gibt meist nicht mehr seine gesamte Kapazität, sondern nur bestimmte Auditzeiten an den Prüfdienstleister. Und damit fehlt es an Audittagen, an Auditorkapazitäten. Die Bindung eines freiberuflichen Auditors an einen Prüfdienstleister ist selbstverständlich auch eine andere. Ob er für eine Zertifizierungsstelle arbeiten möchte oder nicht, bestimmt er selbst. Das wird für viele Prüfdienstleister zum Problem.

Lösungsansätze:

  1. Arbeitszeitmodelle überdenken: Muss es immer die Vier-Tage-Auditwoche sein? Wie wäre es verstärkt auf Teilzeitmodelle zu setzen und/oder Auditorentandems einzusetzen?

  2. Trainee-Programme aufbauen, um die Attraktivität des Berufs zu erhöhen. Prüfdienstleister sollten Interessierten die Möglichkeit geben, im Rahmen eines Trainee-Programms auszuprobieren, ob der Auditorenjob der richtige ist.

  3. Aus Freiberuflern Festangestellte machen: Das geht nicht? Das geht, wie wir in Suchmandaten feststellen konnten. Die Lebenssituation ändert sich und plötzlich wird die Sicherheit eines festen Jobs relevant. Also: Freiberufler-Kontakte pflegen und Bindungsprogramme entwickeln.

Grund 3: Der Beruf des Auditors wird stärker akademisiert und die Zulassungshürden steigen.

Diese Entwicklung zeichnet sich seit etwa fünf Jahren ab. War es für Branchen-Quereinsteiger mit entsprechender Berufserfahrung früher möglich, Auditor für ein Regelwerk zu werden, ohne auf dem Fachgebiet gelernt oder studiert zu haben, ist das heute kaum noch eine Option. Ein Beispiel: Bis vor zwei Jahren konnte ein berufserfahrener IT-Systemadministrator (Realschulabschluss, dreijährige Ausbildung als Systemadministrator und drei bis fünf Jahre Berufspraxis in der IT-Abteilung eines Unternehmens mit Erfahrung in der IT-Sicherheit) zum Auditor für die DIN EN ISO 27001 ausgebildet werden. Die DAkkS (Deutsche Akkreditierungsstelle GmbH als nationale Akkreditierungsstelle für die Zulassung von Prüfdienstleistern und deren Auditoren zuständig) verändert die Zulassungsbedingungen. Will man also im Jahr 2022 Auditor für diese Norm werden, sind das Abitur sowie mindestens ein Bachelor-Studium mit IT-Bezug Pflicht. Dadurch wird der Beruf des Auditors immer stärker akademisiert. Berufserfahrene, die über viele Jahre echtes Expertenwissen in einem Fachgebiet erworben haben, aber „nur“ eine Berufsausbildung besitzen oder etwas anderes gelernt/studiert haben, kommen für die Aufgabe so gut wie nicht mehr infrage. Eine weitere Verknappung im Markt. Das verschärft den Fachkräftemangel bei den Auditoren.

Lösungsansatz:

1. Modell „Systemprüfer“ mit „Regelwerksexperten“ bzw. “Branchenexperten” testen und implementieren. Ein Auditor prüft allgemein das Managementsystem, weitere Experten werden für kurze Zeitslots zum Audit/zur Prüfung für das spezifische Regelwerk hinzugezogen.

Grund 4: Die Gehälter sind mit den hohen Anforderungen an die Qualifikation nicht mitgewachsen.

Das betrifft zwar nicht alle Prüfdienstleister und gilt auch nicht für alle Regelwerke. Doch allein in einem Unternehmen weichen die Gehälter (festangestellter) Auditoren für verschiedene Regelwerke oft stark voneinander ab. Da kann es sein, dass ein erfahrener Auditor für Qualität, Energie und Nachhaltigkeit zwischen 65.000 und 80.000 Euro verdient (und dafür zwischen 120 und 148 Tage im Jahr im Außeneinsatz ist!), während der Auditor für die Automotive-Norm IATF 16949 durchaus 90.000 bis 120.000 Euro Jahresgehalt erhalten kann. Das liegt zum einen an den hohen Hürden der Norm, sowie an umfangreichen Qualifikationsanforderungen und Nachweispflichten. Die Spreizung bei den Gehältern gibt es aber bei Auditoren auch innerhalb der Regelwerke. So verdient ein Auditor für die Regelwerke ISO 9001, 14001 und 50001 bei einem Prüfdienstleister erst mit acht Jahren Berufserfahrung als Auditor ein Gehalt von ca. 75.000 bis 85.000 Euro. Während ein anderer globaler Prüfdienstleister auf dem deutschen Markt seinen Auditoren ein Gehalt von 100.000 Euro bereits zum Einstieg zahlt. Die Prüfdienstleister tun sich gegenwärtig schwer mit interessierten und berufserfahrenen Auditoren, die mit Gehaltsforderungen jenseits der seit Jahren etablierten Gehaltsbänder in Bewerbungsgesprächen aufwarten. Klar ist, das eine Gehaltsband für alle Auditoren kann die Lösung in Zukunft nicht sein.

Lösungsansätze:

  1. Angemessenere Gehälter zahlen bzw. neue Gehaltsmodelle entwickeln: Für den Belastungsgrad pro Monat/Jahr, für die Spezialisierung auf ein/mehrere Regelwerke und für den Umfang an Wissen und Kompetenzen sollte auch ein angemessenes Gehalt gezahlt werden.

  2. Stellenprofil Auditor überdenken: 100 % Auditor sein, das ist unter den gegenwärtigen Voraussetzungen immer schwerer umzusetzen. Warum nicht in Teilzeit Auditor sein (2 bis 3 Tage die Woche) und in der übrigen Zeit als Experte im gleichen Unternehmen ein weiteres Aufgabengebiet bearbeiten? Das wertet den Job auf und bringt Abwechslung.

Grund 5: Auditoren wollen Arbeit und Job vereinbaren können und weniger reisen.

Als 2020 von einem Tag auf den anderen kaum noch Menschen in den Büros arbeiteten, gab es auch für Auditoren keine Möglichkeit mehr, ein Audit vor Ort im Büro oder in der Fabrik durchzuführen. Kurzerhand wurden Remote-Audits in der Breite etabliert und machten zumindest dringend anstehende und notwendige Zertifizierungsaudits möglich. Mit der Zeit etablierten die Prüfdienstleister Remote-Audits parallel zu den Präsenz-Audits und sorgten so dafür, das Auditoren mehr Möglichkeiten des Handlings bekamen. Sicher: Remote-Audits haben Grenzen, nicht jedes Audit kann so absolviert werden. Doch berichten Auditoren davon, dass gerade große Prüfdienstleister seit diesem Jahr wieder dabei sind, Remote-Audits abzuschaffen und Auditoren wieder auf Reisen zu schicken. An Konzepten für Audits, die den Anforderungen der Prüfung und des Regelwerks entsprechen und gleichzeitig digital, effizient und dabei ausgewogen und flexibel sind, arbeiten einige Prüfdienstleister bereits. Will man aber Auditoren auf dem Arbeitsmarkt finden und langfristig an sich binden, braucht es jetzt Konzepte und Ideen, um Auditoren eine Perspektive zu bieten und ihnen eine angemessene Work-Life-Balance zu ermöglichen. Gerade jüngere Berufserfahrene sind heute nur noch in wenigen Fällen bereit, ständig „auf Achse“ und kaum noch zu Hause für die Familie da zu sein. Der Job ist unglaublich spannend, aber eben auch sehr zeitaufwändig.

Lösungsansätze:

  1. Technische Unterstützung verbessern: Viele Auditoren arbeiten mit Teams, Zoom oder anderer Videosoftware. Es gibt auch Auditsoftware für die Durchführung digitaler Audits mittels Tablets und Co., aber der Einsatz ist noch sehr bescheiden. Weg von den Excel-Checklisten hin zu smarten Lösungen, die die Arbeit des Auditors vereinfachen.

  2. Präsenz-Audit in Kombination mit digitalen Audit-Modellen einführen: Die Akkreditierungsvorgaben sind streng, trotzdem können alternative Modelle für die Audit-Durchführung erprobt und umgesetzt werden. Was muss wirklich vor Ort und was kann virtuell oder anderweitig digital geprüft werden?

Unbestritten steht der Prüfdienstleistermarkt vor gewaltigen Herausforderungen, um die digitale Transformation umzusetzen und zugleich erfahrene Spezialisten als Auditor:innen zu finden und langfristig zu binden. Deshalb wollen wir diese Debatte gern branchenweit anstoßen, über Lösungen mit Ihnen diskutieren und Denkanstöße und Impulse für Unternehmen geben, die das Thema auf Ihrer Agenda haben.

Und wie geht es weiter?

Wir sind überzeugt davon, dass die Debatte geführt werden muss. Denn das Problem des Auditoren-Mangels wird nicht von allein verschwinden. Wir wollen die Debatte mit den Unternehmen und der Community (Auditoren) führen. Wir freuen uns, wenn Sie einsteigen und mit uns diskutieren.


• Welche Gründe haben Sie für den Mangel an qualifizierten Auditoren ausgemacht?
• Welche Marktentwicklungen werden den Mangel aus Ihrer Sicht noch verstärken?
• Was probieren Sie in Ihrem Unternehmen aus, um dem Auditoren-Mangel zu begegnen?
• Was hat sich in Ihrem Unternehmen bewährt und was nicht?

Wir arbeiten seit mehr als 12 Jahren für die TIC-Branche (Prüfdienstleister) und besetzen für unsere Auftraggeber Führungspositionen und Spezialistenstellen, vor allem auch Auditorenvakanzen. Uns geht es dabei nicht nur um die Besetzung einer freien Vakanz, wir unterstützen auch mit Onboarding Services, die Prüfdienstleistern dabei helfen, neu eingestellte Auditoren zu halten und langfristig an sich zu binden.