Wie eine gute Zusammenarbeit mit dem Zertifizierungsauditor gelingt
Mit Elke Meurer verbinden mich viele gute Gespräche rund um das Qualitätsmanagement im Mittelstand und das Kompetenzmanagement für Auditoren. Wir sprachen darüber, mit welchen Herausforderungen Unternehmen bei der Auswahl der Zertifizierungsgesellschaften und in der Zusammenarbeit mit externen Auditoren konfrontiert sind. Und so entstand die Idee für diesen Beitrag.
Für Unternehmen ist es schwieriger geworden, eine kompetente Zertifizierungsstelle mit qualifizierten und für die Branche passenden Auditoren zu finden. Es herrscht seit einigen Jahren ein eklatanter Mangel an Auditoren. Für den Einsatz in einigen Branchen oder technischen Bereichen gibt es so wenige fachkundige AuditorInnen, dass Unternehmen lange Wartezeiten bis zum Audit in Kauf nehmen müssen. Lange Wartezeiten bis zum Zertifikat, Auditoren-Engpässe, gestiegene regulatorische Anforderungen, wirtschaftliche Zwänge. So lasten auf Audits hohe Erwartungen.
Unternehmen bemängeln zunehmend Qualität, Aufwand und Wirksamkeit von Audits
Nun steht das Zertifizierungs-Audit an. Läuft es gut, dann arbeiten Zertifizierungsgesellschaft, Auditor und Unternehmen erfolgreich zusammen. Der Auditor prüft mit konstruktiv-kritischem Blick das Managementsystem des Unternehmens. Das Vertrauen wächst. Davon profitieren beide Seiten, denn es geht vorwärts. Die Organisation kann sich weiterentwickeln.
Wenn es schlechtläuft, dann entstehen Verständigungsschwierigkeiten und eine Dysbalance: Wenn das eigene Managementsystem, das mit viel Kreativität und Herzblut entwickelt wurde, nicht „dem prüfenden Blick“ des Auditors standhält. Oder wenn Auditoren über das Ziel hinausschießen und mehr fordern als (in der Norm) gefordert ist. Es treten Spannungen und Konflikte auf. Und manchmal lässt über die Jahre die Qualität des Audits spürbar nach. Wenn immer gleiche Fragenkataloge abgearbeitet werden. Oder das das Audit zur „Audit-Show“ wird, weil man „liefert“, was der Zertifizierungsauditor gerne sehen möchte.
Darunter leiden alle Seiten. Die auditierte Organisation, weil sie keine Weiterentwicklung sieht oder Audits zu belastenden „Prüfungssituationen“ werden. Der Auditor, der vermutlich ebenfalls mit einem unguten Gefühl in das nächste Audit geht, weil er an die konfliktreichen Diskussionen denkt. Und hier möchte ich unbedingt für diese Berufsgruppe eine Lanze brechen: Denn in den letzten Jahren sind die Anforderungen und Wünsche an diese Berufsgruppe immens gestiegen. Leider nicht im gleichen Maße die Unterstützung durch z.B. Weiterbildung, ein adäquates Gehalt oder zeitliche Entlastungen.
Wie gestaltet man eine konstruktive und produktive Zusammenarbeit mit dem Zertifizierungsauditor?
Geschäftsführer und Qualitätsverantwortliche in Unternehmen blicken heute kritischer auf die Kompetenz von Zertifizierungsgesellschaften und deren Zertifizierungsauditoren. Klar ist, ein Audit ist kein lockeres Kaffeekränzchen und sollte auch nicht zum Ritual verkommen. Ein Auditor bewertet Konformität und Wirksamkeit. Das erzeugt Reibung und manchmal auch Konflikt. Ein gutes Audit zeichnet sich dadurch aus, dass das Managementsystem konstruktiv-kritisch gewürdigt wird.
Wie erfolgt die Auswahl eines Zertifizierungsauditors?
Wenn Sie sich entscheiden, mit einer Zertifizierungsstelle zusammenzuarbeiten, dann haben Sie in der Regel einige Bewertungskriterien angelegt.
Ist die Zertifizierungsstelle akkreditiert (und bei wem?)
Wird die Zertifizierung der gewünschten Normen angeboten?
Wie werden Unparteilichkeit und Unabhängigkeit sichergestellt?
Ist das Angebot umfassend und ausreichend für unsere Anforderungen?
Wann kann die Zertifizierungsstelle erstmalig Audits anbieten?
Verfügt sie über ausreichend (qualifizierte) Auditoren im Scope?
Wie wickelt sie die Zertifizierung genau ab?
Zu welchen Kosten erhalte ich die Zertifizierung?
(selbstverständlich gibt es weitere Kriterien)
In der Angebotsphase haben Sie noch die Möglichkeit, einen gewissen Einfluss auf die Auswahl eines Zertifizierungsauditors zu nehmen. Führen Sie in jedem Falle ein ausführliches Erstgespräch mit den Verantwortlichen. Fragen Sie: Welche Auditoren werden bei uns eingesetzt? Wie ist deren Qualifikationsprofil und welche Erfahrungen bringen sie mit? Wie wird die Qualität im laufenden Zertifizierungsprozess sichergestellt? Was passiert, wenn Probleme auftreten und an wen kann ich mich wenden?
Ihre Anforderungen und das Audit-Ziel sind entscheidend. Welche Erwartungen haben Sie an ein Zertifizierungs-Audit und an den Auditor? Wollen Sie lediglich ein Zertifikat erlangen? Oder wollen Sie eine konstruktive Würdigung Ihres Managementsystems zur Weiterentwicklung der Organisation? Was ist Ihnen im Audit noch wichtig? Was sind Ihre Dos and Don‘ts in einem Audit? Lassen Sie sich vom in der Angebotsphase bzw. dem Vorgespräch bereits alle Informationen liefern.
Eine freie Auswahl des Auditors gibt es nicht.
Unternehmen können den Auditor für das Zertifizierungsaudit nicht per se frei wählen. Die Auswahl erfolgt durch die Zertifizierungsstelle. Das ist deren unternehmerische Entscheidung und hängt von diversen Kriterien ab:
Kompetenz und Erfahrung im jeweiligen Branchen-Scope (gemäß den Anforderungen der ISO/IEC 17021-1 und weiterer)
freie Kapazitäten der vorhandenen Auditoren
spezielle Scopes bzw. Regelwerke, für die ggf. nur freiberufliche AuditorInnen oder zusätzliche Fachexperten verfügbar sind
ggf. Wohnortnähe des Auditors
Einhaltung von Objektivität und Unparteilichkeit des Auditors
In den AGBs oder Zertifizierungsordnungen der Zertifizierungsstellen finden Sie Hinweise darauf, unter welchen Umständen Sie Auditoren ablehnen bzw. einen Wechsel verlangen können und wie mit einer Beschwerde verfahren wird.
Was macht einen kompetenten Zertifizierungsauditor aus?
Die Anforderungen an Auditoren sind in der ISO 19011 und für 3rd party-Auditoren zusätzlich in der ISO 17021 beschrieben. Neben fachlichen und technischen Kenntnissen (Normenanforderungen, Prozess-Kenntnissen und Branchenerfahrungen) und Kenntnissen der Auditmethodik (ebenfalls in den Normen festgelegt) sollen Auditoren über bestimmte Persönlichkeitsmerkmale verfügen. Der Schwerpunkt der herkömmlichen Auditoren-Ausbildung liegt bisher stark auf Normenkenntnis, Auditmethodik und Akkreditierungsregeln, sowie auf den Grundlagen in Sachen Gesprächsführung und Konfliktmanagement. Es ist ebenso relevant, welche Erfahrungen und Fertigkeiten ein Auditor aus seiner früheren Berufspraxis mitbringt. Führungserfahrene oder Projektmanagement-erfahrene Auditoren bringen in der Regel anwendbare Fertigkeiten mit, wie Moderationsfähigkeiten, Konfliktlösetechniken, Fertigkeiten in der Gesprächsführung etc.
Trotz allem: Die persönliche Eignung und Kompetenz als Auditor tritt meist erst in der Audit-Praxis zu Tage. In der Eignungsdiagnostik spricht man deshalb von „beobachtbarem Verhalten“.
Auditoren-Kompetenzen: Worauf Sie im Audit achten sollten
1. Ein Auditor kommuniziert Auditergebnisse und -feststellungen angemessen, sachlich und im Ton wertschätzend.
Klingen die Ausführungen/Erklärungen für Sie nachvollziehbar? Formuliert der Auditor, ohne zu bewerten? Ordnet er Gesagtes in den Kontext der Organisation ein? Belehrt er eher oder bringt uns seine Einschätzung weiter? Kann er Unangenehmes sachlich rückmelden, in respektvollem und wertschätzendem Ton?
2. Ein Auditor interpretiert Normenanforderungen kontextbezogen und sachgerecht.
Der Auditor versteht im besten Falle schnell, was Ihre Organisation ausmacht. Wenn Sie sicher sind, dass Sie die Norm einhalten, doch der Auditor das als Abweichung interpretiert, erläutern Sie: „Unsere Vorgehensweise passt aus (genauer auszuführenden) Gründen in die Logik des Managementsystems und ist wirksam, damit normenkonform“. Kann der Auditor Normenanforderungen für Ihre Belange „übersetzen“? Oder verkauft er Ihnen etwas als den „Standard“, obwohl es so nicht in der Norm oder den rechtlichen Anforderungen steht? Erklären Sie, ohne sich zu rechtfertigen und halten Sie im Zweifel in einer Diskussion auch einmal Stand.
3. Ein Auditor setzt verständliche Sprache ein, die zielgruppengerecht ist.
Sie erkennen einen erfahrenen Auditor daran, dass er die Sprache Ihrer Organisation erkennt und anwendet. Er formuliert nicht abstrakt in Normensprache, sondern „übersetzt“. Können Sie nachvollziehen und verstehen, worum es geht? Verwendet der Auditor bildhafte Sprache, um Verständnis zu erzeugen? Fragt er klar nach und argumentiert er verständlich?
4. Ein Auditor bezieht alle Gesprächspartner ein.
Kommuniziert der Auditor ausschließlich mit der Entscheider Ebene (nur Vorstand oder Geschäftsführer)? Eher kein gutes Zeichen. Der Auditor kommuniziert mit allen Organisationsebenen. Er kann offenkundige Barrieren durch gute Gesprächsführung überwinden und bezieht relevante Gesprächspartner mit ein.
5. Ein Auditor arbeitet auf System- und Prozessebene, jedoch nicht auf persönlicher Ebene.
Ein Auditor weist auf Risiken hin, er benennt im sachlichen Ton Fehler. Er verweist dabei nicht auf Schuldige. Er bewertet kein Verhalten, denn persönliche Wertungen steht ihm nicht zu. Das schadet nicht nur die Auditatmosphäre, sondern auch dem Auditziel.
6. Ein Auditor ist integer genug, um Sachverhalte offen anzusprechen.
Sie erleben den Auditor, wie er um ein Problem sprichwörtlich „herumeiert“ und vermeidet, es offen anzusprechen. Erkennbar ist das z.B. an sehr vorsichtiger Sprache (könnte, sollte, müsste). Das hilft beiden Seiten nicht. Fordern Sie klare Aussagen ein, bitten Sie darum, dass er seine Beobachtungen dezidiert benennt und begründet.
7. Ein Auditor ermöglicht durch kluges Fragen überraschend neue Einsichten.
Fragen können im Audit zu einer positiven Intervention führen. Sie regen das Denken an und schaffen es, den berühmten blinden Fleck aufzudecken. Das hilft, neu über einen Vorgang zu denken. Fernab eingefahrener Wege verschaffen Fragen Klarheit darüber, was ist. Durch tiefgehendes Nachfragen signalisiert ein Auditor, dass er tieferliegende Ursachen eines Problems ergründen oder den Gesprächspartner zum Nachdenken anregen möchte.
8. Ein Auditor geht Konflikten und atmosphärischen Störungen nicht aus dem Weg.
Wie ein Auditor mit einem schwelenden Konflikt im Audit umgeht, sagt einiges über dessen Souveränität und Unabhängigkeit aus. Sie haben das vielleicht schon erlebt, wie sich eine Stimmung plötzlich ändert, eine Situation zu kippen droht. Wichtig ist, wie und ob es dem Auditor gelingt, eine Situation einzufangen und das Audit produktiv fortzuführen.
9. Ein Auditor hört zu, um ihre Organisation zu verstehen und schlussfolgert dann.
Wenn Auditoren das Gesagte nicht wirklich aufnehmen, sondern unmittelbar ihre Meinung/Schlussfolgerung verkünden oder Antworten einfach „abbügeln“ (im Tonfall oder in der Formulierung), dann wird es Zeit für eine Unterbrechung. Ein guter Auditor schweigt auch einmal und lässt Ihnen Raum, Gedanken zu ordnen. Er unterbricht nicht fortlaufend (auch nicht unter Zeitdruck). Er weiß, dass Kommunikationsprozesse schrittweise funktionieren, um Objektivität sicherzustellen und Bias zu vermeiden: 1. Zuhören – 2. Nachfragen – 3. Schlussfolgern – 4. Bewerten.
10. Ein Auditor arbeitet risikobasiert statt bürokratisch.
Ein Auditor hält sich nicht an Petitessen fest (z.B. die Schriftgröße eines Dokuments oder fehlende Fußzeilen). Er klärt im Vorgespräch, mit welchem Blickwinkel er/sie auditieren wird. Er würdigt im Audit den aktuellen Reifegrad Ihrer Organisation, konzentriert sich auf die größten Risiken des Unternehmens, um so die Resilienz der Organisation sicherzustellen.
11. Ein Auditor geht souverän mit eigenen Fehlern im Audit um.
Auditoren sind Menschen und Menschen machen Fehler. Plötzlich hat der Auditor einen Blackout und weiß nicht mehr, wo der Sachverhalt genau in der Norm steht. Oder der Zeitplan ist nicht mehr einzuhalten. Im besten Falle reagiert ein Auditor souverän und sucht mit den Beteiligten nach einer guten Lösung,
Die Nachbesprechung des Audits
Bewerten Sie das Audit aus Ihrer Perspektive: Was ist Ihnen aufgefallen? Wie kritisch ist das Wahrgenommene für Sie? Sind die aufgetretenen Probleme für Sie relevant, dann führen Sie ein Nachgespräch mit dem Auditor. Mit dem Ziel, eine wertschätzende Zusammenarbeit zu gestalten und das Gelingen des nächsten Audits sicherzustellen.
Beide Seiten stehen in einem Audit enorm unter Spannung. Der Auditor ist in dem Prozess besonders stark gefordert: Zuhören, Fragen, Bewerten, Beobachten, Moderieren und Konflikte voraussehen/managen. Manchmal alles zur gleichen Zeit. Ein Audit ist nicht nur für Sie, sondern insbesondere für den Auditor ein Kraftakt.
Fazit
Audits sind anspruchsvoller denn je und für beide Seiten fordernd. Im Audit „menschelt“ es. Und wo Menschen aufeinandertreffen, können Fehler passieren. Die Zusammenarbeit mit Ihrem Zertifizierungsauditor funktioniert dann erfolgreich, wenn von Beginn an Erwartungen und Anforderungen klar besprochen und vereinbart werden. Und wenn es beiden Seiten gelingt, die Auditbeziehung offen, fair, vertrauenswürdig und produktiv zu gestalten. Gehen beide Seiten gut vorbereitet und mit etwas Gelassenheit in das Audit, so haben Sie bereits sehr viel für den Erfolg getan.