Praxistipps für Auditoren

Mit den richtigen Fragen das Auditziel erreichen

Der Auditor ist in Auditgesprächen überwiegend „ZUHÖRENDER“. Um den Auditprozess zu führen, ist er auch in der Verantwortung als „FRAGENDER“. Um das Auditziel zu erreichen und dabei eine gelungene Auditatmosphäre zu gestalten, hilft die zielgerichtete Nutzung von Fragetechniken. Wir zeigen, welche Fragen welche Wirkung erzielen und wie der Frageprozess gestaltet werden kann.

Die DIN EN ISO 19011:2018 beschreibt Auditmethoden, die zum Einsatz kommen sollen, um Nachweise für die Konformität und Wirksamkeit von Managementsystemen zu erhalten. Zu den Methoden zählt das Prüfen von Dokumenten, von IT-Daten und die Beobachtung von Prozessen und Verhalten in einem Audit. Die mit Abstand wichtigste Methode ist die Befragung von Mitarbeitenden und Führungskräften, denn sie dient dazu Informationen zielgerichtet zu sammeln. Und diese Methode hat es in sich, da sie im Vergleich zur Beobachtung und Dokumentenprüfung der aktiven Mitwirkung des Gesprächspartners bedarf. Interviews und Befragungen haben einen großen Einfluss auf die Atmosphäre, den Auditprozess. Im ungünstigsten Fall führen Befragungen zu „Auditmessfehlern“. Falsch gefragt bedeutet zum Beispiel, Sie richten mit Ihrer Frage die Taschenlampe auf die „falsche Ecke“ der Organisation. Also erhalten Sie auch nicht die Antwort, die Sie eigentlich benötigen oder den Hinweis auf ein mögliches Risiko. Deshalb haben Auditoren (ob erfahren oder nicht) völlig zurecht Respekt vor der Auditgesprächsführung.

„Dem guten Frager ist schon halb geantwortet.“
Friedrich Nietzsche

Was macht die Fragetechnik im Audit so herausfordernd?

Komplexität managen: Ein Auditor muss zeitgleich für das Auditziel relevante Fragen formulieren. Er muss die Antworten hören und verstehen. Er muss sich Notizen machen. Er soll Sachverhalte auf Konformität und Wirksamkeit bewerten. Darüber hinaus soll er Zwischentöne wahrnehmen, die auf mögliche künftige Risiken und Potenziale hindeuten.

Auditprozess im Blick haben: Unabhängig davon, ob Sie interner, Lieferanten- oder 3rd party Auditor sind. Es geht darum, das Auditziel zu erreichen, für das es festgelegte Regularien gibt, z.B. die Vorgaben der ISO 19011:2018. Für 3rd party Audits sind das zusätzlich noch Akkreditierungsanforderungen, während interne und Lieferanten-Audits oft nach eigens festgelegten Vorgehensweisen erfolgen.
Als Auditor sind sie permanent in der Entscheidungsfindung. Mit welcher Detailtiefe muss ich hinterfragen, um den Auditsachverhalt abschließend beurteilen zu können? Wie ziehe ich angemessene Stichproben und mit welcher Methodik? Welchem Auditpfad gehe ich nach, welchen „lasse ich liegen“?

Auditatmosphäre herstellen und nutzen: Wir auditieren Unternehmen mit deren Managementsystemen und Prozessen, nicht den Menschen, der uns im Audit gegenübersitzt. Deshalb gilt: Wir führen Gespräche auf Augenhöhe – diese Vorgehensweise ist alternativlos. Das macht es manchmal nicht leicht, die Gesprächsführung zu erlangen und vor allem zu behalten. Das ist eine Frage der Audittechnik und zunehmender Lernkurve und Erfahrung. Sie erlangen als Auditor mehr und mehr Übung darin. Stellen Sie sich vor, Sie lernen Autofahren. Es braucht Zeit, komplexe und „gleichzeitige“ Abläufe so zu verinnerlichen, dass sie sich leicht anfühlen und Sie bei Ihnen automatisch ablaufen. Bezogen auf das Audit stellen sich neue Auditoren die Fragen: Wo und wie fange ich an? Falle ich mit der Tür ins Haus und frage gleich mal nach dem Eingemachten? Wie reagiere ich auf Gegenfragen? Was mache ich mit Viel- oder Wenig- Redner?

Im Kern geht es also darum, wie ich welche Fragen Sie als Auditor stellen, um zum Auditziel zu gelangen. Dabei sollen Sie Regeln einhalten und die Auditatmosphäre so gestalten, dass alle Beteiligten (inkl. Sie selbst) sich auf das nächste Audit freuen.

Welche Fragetechniken nutze ich in Audits und wie wirken sie?

Die Grundlagen guter Gesprächsführung zu kennen und zu beherrschen, das ist für Auditoren natürlich Pflicht. Die Kür ist, diese auf Auditsituationen anzupassen. In Audits kommen im Wesentlichen offene und geschlossene Fragen zum Einsatz. Suggestive Fragen sollten in Audits selten angewendet werden, da sie die Antwort ja (teilweise) beinhalten und von Ihren Gesprächspartnern als recht manipulativ empfunden/wahrgenommen werden.

Für angehende Auditoren ist empfehlenswert, zu Beginn auf das Stellen von offenen Fragen zu achten. Aber welche Fragen stellt man im Audit?

Tipps aus dem Methodenkoffer: Der Frage-Generator nach High Level Structure

Für das Auditieren von Managementsystemen können sich Auditoren mit Werkzeugen helfen, die sich aus der sogenannten High Level Structure ergeben. Es gibt 10 Abschnitte, nach der jede Managementsystem-Norm gegliedert/strukturiert ist. Für Audits relevant sind hier die Kapitel 4 bis 10, die in der Logik des Management- (Qualitäts-) Regelkreises angeordnet sind (PDCA- Zyklus). Den einzelnen Phasen des PDCA-Zyklus sind Normenabschnitte zugeordnet, die man strukturell mit je einer Leitfrage erfassen kann. Die Grafik soll Ihnen helfen und als Fragegenerator dienen.

Das ist ein einfaches und zugleich machtvolles Instrument. Denn diese Grundstruktur ist Leitplanke und zugleich in jedem einzelnen Auditgespräch anwendbar: für das Audit als ganze Einheit, für Management-Prozesse oder für das Gespräch beim Teamleiter in der Produktion. Die Fragen sollten natürlich in der Tonalität an den Gesprächspartner und dessen Kontext angepasst werden.

Für alle, die Audits auch als Organisationsentwicklungs-Tool nutzen und verstehen: auch das geht mit dem PDCA Zyklus. Idealerweise halten Organisationen den PDCA Zyklus in Balance. Je nach Komplexität, Branche, Größe und Reifegrad können Auditoren auf Unternehmen treffen, die:

  • stärker in der Planung sind, aber die PS nicht auf die Straße bringen (Plan)

  • eher „Machen“ und „Reagieren“ statt zu „Agieren“ (Do)

  • ihre Leistung nicht oder zu viel (Kennzahlen-Bingo) messen (Check)

  • Fehler korrigieren, aber nicht nachhaltig aus ihnen lernen bzw. ihre Stärken nicht kennen und systematisch nutzen (Act).

Je nach Situation können z.B. bei internen und Lieferantenaudits Auditschwerpunkte auf die „weiter zu entwickelnden Kompetenzen“ gelegt werden. Zertifizierungs-Auditoren können diese Möglichkeit auch nutzen, aber möglicherweise in einem geringeren Umfang.

Welche Fragen stellt man im Audit?

Tipps aus dem Methodenkoffer: Der Frage-Generator nach dem Prozessmodell

Neben der Nutzung des PDCA Zyklus können Fragen aus dem sogenannten Prozessmodell generiert werden. Die Managementsystem-Standards basieren auf dem prozessorientierten Ansatz und enthalten im Abschnitt 4.4 dazugehörige Anforderungen. In der Konsequenz sind Audits für Managementsysteme mindestens Prozessaudits oder prozessorientierte Systemaudits. In beiden Fällen werden also Prozesse auditiert: Management-, Kern- und Unterstützungsprozesse. Die ISO 9001:2015 beschreibt im Abschnitt 4.4.1 die für die Prozesse benötigten Elemente, die bei der Festlegung (Planung) der Prozesse berücksichtigt werden müssen. Diese Elemente als Modell abgebildet, bieten eine gute Grundlage für Fragen, die Auditoren stellen können.

Dieses Beispiel hier zeigt das Prozessmodell basierend auf den Anforderungen der ISO 9001:2015 Abschnitt 4.4.1 a) bis h) inkl. möglicher Leitfragen. Es verbindet zusätzliche Elemente aus den Abschnitten 6.2.1 – Ziele und 9.1.1 Methoden der Messung, Überwachung. Analyse und Bewertung.

Wenn wir Konformität und Wirksamkeit auditieren, geht es darum, die Festlegung der Prozesse als solche mit der Anwendung zu auditieren: Wie wurde es geplant? Wird es tatsächlich durchgängig angewendet? Tipp: Das lässt man sich stichprobenartig an realen Beispielen zeigen. "Wie ist die Vorgabe im Prozess? Zeigen Sie mir bitte an den Aufträgen Nr. 1, 25, 54 wie das bei Ihnen konkret angewendet wurde?"

Die neun Kästchen des Prozess-Modell-Fragegenerators ermöglicht theoretisch 18 mögliche Fragen aus dem Prozessmodell. Ist es realistisch, das für jeden im Unternehmen anwendbaren Prozess zu tun? Aus zeitlichen Gründen eher nicht. Deswegen braucht es nun den Filter für die Priorisierung.

Tipps aus dem Methodenkoffer – Die Priorisierung von Fragen

Mögliche Kriterien für die endgültige Auswahl der Fragen sind:

  • Was ist das Auditziel und der Auditumfang (hilfreich sind hier Auditprogramm und –plan)?

  • Was ist nach dem risikobasierten Ansatz relevant? Ziele des Unternehmens, Trends der Branche, geplante oder bereits erfolgte Änderungen

  • Wie viel Zeit für das Audit steht mir zur Verfügung?

  • Welche Ergebnisse liefern die Voraudits?

  • Welche Schwerpunkte für die Organisationsentwicklung ergeben sich aus dem PDCA Zyklus?

  • Kann ich möglicherweise auf das Erfragen verzichten, weil ich die Auditfeststellung mit anderen Auditmethoden (Beobachtung, Dokumenten-Review) treffen kann?

Durch Fragen Abwechslung schaffen

Kennen Sie das als Auditor auch? Sie sind jedes Jahr und im Rahmen der Rezertifizierung bei Ihrem Audit-Kunden. Und es fällt Ihnen jedesmal schwerer, Abwechslung in das Audit zu bringen.

Die drei vorgestellten Fragetechniken sind keine abschließende Empfehlung. Mit zunehmender Erfahrung und Kompetenz können Sie Ihren Fragetechnik-Methodenkoffer weiter füllen. Hierzu bietet zum Beispiel das systemische Fragen (aus der Organisationsberatung) oder Fragetechniken aus dem HR (Recruiting) gute Möglichkeiten, um Abwechslung in Audits zu bringen.

Skalierungs- bzw. Gewichtungsfragen

„Was waren die drei wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus der letzten Kundenbefragung gewinnen konnten?

Auf einer Skala von 1 bis 10 – Wie würden Sie die Fortschritte gegenüber dem letzten Audit bewerten, die Sie bei der Umsetzung der Maßnahmen gemacht haben?

Ziel: Anderer Blick auf Veränderungen / Lerntransfer aufseiten des Auditierten / wertschätzende Atmosphäre schaffen / scheinbare Unterschiede relativieren und zum Nachfragen nutzen.

Zirkulärfragen

Welche Situation haben Sie vorgefunden? Welchen Anteil hatte Ihr Unternehmen an der Situation? Was haben Sie konkret unternommen? Welches Ergebnis haben Sie erzielt? Welche Folgen hat das für Ihr Unternehmen?

Ziel: Sie sind auf ein Problem gestoßen (uneindeutige "Zwischentöne"), können es noch nicht genau erfassen. Dann grenzen Sie mit zirkulären Fragen das Problem ein.  

Perspektivwechselfragen

Wie würde Ihr Kunde diesen Prozess beurteilen?

Ziel: anderen Blickwinkel einnehmen, der zu einer neuen Denkweise führt und andere Beurteilung der Situation zu lässt.

Selbstreflektorische Fragen

Was hat Ihnen das heutige Audit gebracht?

Was würden Sie in dem Prozess künftig vielleicht anders machen?

Ziel: sparsam einsetzen, da nicht jeder bereit ist sich zu öffnen. Kann Gesprächspartner wieder „an den Tisch“ holen und Reflexion fördern.

Ein wichtiger Grundsatz in Audits ist, mittels Stichproben Konformität und Wirksamkeit zu bewerten. Deshalb: Haben Sie „Mut zur Lücke“ und verlassen Sie sich auch auf Ihren gesunden Menschenverstand. Wenn Sie sich als Auditor auf Ihre (ausreichende) Kompetenz verlassen können und ausreichend Erfahrungen mit dem Unternehmen und der Branche gesammelt haben und wenn Sie sich mit dieser Entscheidung wohlfühlen.

Fazit

Die Auswahl der „richtigen“ Fragen ist durch den Auditor steuerbar und auch vorab etwas planbar. Die ausgewählte Fragetechnik sowie die für die Auditsituation inhaltlich relevanten Fragen sind Ihr wichtiger Erfolgsfaktor für das Erreichen des Auditziels. Sichere Leitplanken bieten der PDCA-Zyklus und das Prozessmodell. Hierüber lassen sich potenzielle Fragen sehr gut generieren. Die nötige Fokussierung erreichen Sie durch die Anwendung des risikobasierten Ansatzes.
Fragen will gelernt sein und Auditoren dürfen nicht aufhören zu lernen. Es braucht Mut, sich diese Lernkurve einzugestehen und sich in der Rolle als Auditor immer wieder zu hinterfragen. Der Lohn ist, dass die Planung und Durchführung von Audits für alle Beteiligten interessant und überraschend bleibt. Das ist der beste Garant für Nutzen, Akzeptanz und zielgerichtete Weiterentwicklung von Unternehmen (und Auditoren).

Diese Praxistipps stärken Auditoren u.a. in den folgenden Kompetenzbereichen gemäß der DIN EN ISO 19011

Soziales Gespür / Feingefühl für Situationen – aufnahmefähig sein
Funktionale Kommunikation – sich Situationen bewusst sein und diese verstehen
Informationsverständnis / fundierte Urteilsbildung – Schlussfolgerungen auf Basis von Analysen ziehen
Kontaktfähigkeit / Gesprächsführung - auf Zielerreichung fokussiert sein

Zu den Autorinnen
Für die kollaborative Beitragsserie „Praxistipps für den Auditoren-Alltag“ freuen wir uns, mit einer Gastautorin zusammenzuarbeiten, die sich mit großer Leidenschaft für die Weiterbildung von Auditoren einsetzt und praxisnah aus dem Alltag berichtet.

Andrea Kruck hat viele Jahre als Auditorin, Trainerin und Coach bei namhaften Unternehmen der Prüfdienstleistungsbranche gearbeitet. Sie war als Trainerin und Akademieleiterin für die Auditorenaus- und weiterbildung maßgeblich verantwortlich.

Ina Westphal ist Personalberaterin und Geschäftsführerin von Hellmund. Die Personalberater. Sie besetzt seit vielen Jahren Führungs- und Expertenfunktionen in der TIC-Branche und in Qualitäts- und Nachhaltigkeitsabteilungen bei Unternehmen. Ein Schwerpunkt und Herzensthema ist für sie der Auditorenberuf.