Meta-Kompetenzen der Zukunft (Teil 1/6)

Kooperationsfähigkeit - Gemeinsam mehr erreichen

Wissen und Können einer Organisation wird erst über kooperativen Austausch wirklich nutzbar. In Teil 1 unserer Serie zu Kompetenzen der Zukunft erläutern wir, wie Sie Anzeichen von unkooperativem Verhalten erkennen, die Zusammenarbeit Ihrer Mitarbeiter stärken und besonders kooperative Bewerber identifizieren können.

Unsere Serie zu Meta-Kompetenzen der Zukunft

Unternehmen müssen sich auf tiefgreifende Veränderungen einstellen: Die digitale Transformation fördert Innovationen, bringt neue Technologien und neue Formen der Zusammenarbeit mit sich, verspricht Prozesserleichterungen. Sie kann aber auch Entgrenzung, Arbeitsverdichtung und Kontrollverlust bedeuten – davor fürchten sich vor allem Angestellte. Im Personalbereich stehen Unternehmen deshalb vor der zentralen Frage: Welche Kompetenzen brauchen unsere Mitarbeiter in Zukunft, damit wir weiter gemeinsam erfolgreich sein können?

In dieser Artikelserie geben wir praktische Hilfestellung. Wir konzentrieren uns auf überfachliche Fähigkeiten, die das Arbeiten in einer digitalen Welt möglich machen. Sechs solcher Meta-Kompetenzen stellen wir Ihnen vor. Wir sagen, worauf Sie achten sollten, wenn Sie neue Mitarbeiter einstellen und wie Sie Ihre Belegschaft weiterentwickeln. Letzteres wird immer wichtiger, denn die Zeiten, in denen Unternehmen ihre Talente am Markt einfach „einkaufen“ konnten, sind vorbei. Machen Sie Ihre Mitarbeiter fit für die digitale Zukunft!

Kooperationsfähigkeit – Gemeinsam mehr erreichen

Sie erleben das sicher gerade auch: Ein Großteil Ihrer Mitarbeiter arbeitet remote, manche auch hin und wieder im Büro. Abstimmungsprozesse müssen nun fein austariert werden, damit Informationen nicht untergehen. Zugleich merken Sie, dass die Zusammenarbeit der Kollegen mehr und mehr leidet, weil sie sich seit Monaten nicht gesehen und persönlich gesprochen haben. Wie ein Brennglas macht die virtuelle Zusammenarbeit deutlich, wo es bei der Kooperation im Team hakt.

Hier sollten Sie als Führungskraft oder HR-Partner reagieren! Wir zeigen Ihnen, wie Sie Anzeichen von unkooperativem Verhalten erkennen und deuten können. Wir erläutern, wie Sie bei Neueinstellungen herausfinden, wer kooperationsfähig ist und wer nicht. Und wir geben Ihnen für Ihr Team konkrete Entwicklungsmöglichkeiten an die Hand. Hier gibt es die wichtigsten Infos auf einen Blick.

Und das Beste: Wenn Sie Ihr Team oder sich selbst in Hinblick auf diese Kompetenz einmal testen möchten, dann können Sie kostenfrei bei Personeco online Fragen beantworten. Die Ergebnisse und Hinweise für die Entwicklung erhält die teilnehmende Person direkt im Anschluss. Sind Ihre Mitarbeiter einverstanden, können Sie die Auswertung gemeinsam besprechen.

1. Was versteht man unter Kooperationsfähigkeit?

Kooperationsfähigkeit bezeichnet zunächst einmal die Fähigkeit einer Person, gemeinsam mit anderen zu arbeiten. Dazu zählt, dass man zusammen nach der Lösung einer Aufgabe oder eines Problems sucht und dabei ein gemeinsames Ziel verfolgt. In Zeiten, in denen virtuell, aber auch international zusammengearbeitet wird, ist die Kooperationsfähigkeit elementar.

Darüber hinaus wird immer wichtiger, auch außerhalb des eigenen Teams – nämlich über Hierarchiegrenzen hinweg – mit Menschen zusammenzuarbeiten. Projektteams sind heute längst mit Personen unterschiedlicher Hierarchiestufen besetzt, so dass etwa eine Projektleiterin auf Mitarbeiterebene in der Lage sein muss, einen Bereichsleiter innerhalb des Projektes zu steuern und anzuleiten. Die Fähigkeit, über Hierarchiegrenzen hinweg zu arbeiten, ist in unseren Augen ein wichtiger Aspekt der Meta-Kompetenz „Kooperationsfähigkeit“.

2. Was können Mitarbeiter mit dieser Kompetenz genau?

Ein Mitarbeitender mit Kooperationsfähigkeit:

  • kann mit anderen erfolgreich zusammenarbeiten, auch in unterschiedlichen Formen jenseits der eigenen hierarchischen Organisation,

  • meidet Alleingänge, wenn eine Kooperation mit Kollegen/Mitarbeitenden sinnvoll erscheint,

  • fördert die kollegiale und konstruktive Zusammenarbeit,

  • ist bereit, eigene Standpunkte aufzugeben, wenn ein Kompromiss oder eine Win-win-Situation erzielt werden kann,

  • teilt Wissen und Daten mit anderen,

  • ist daran interessiert, Mehrwerte zu schaffen, die dem Team zugutekommen.

3. Warum wird diese Kompetenz in Zukunft gebraucht?

Das geballte Wissen und Können einer Organisation und ihrer Individuen wird über den kooperativen Austausch und das Teilen erst nutzbar. Kooperation ermöglicht, dass sich die Mitarbeiter auf gemeinsame Ziele fokussieren und sich jeden Tag aufs Neue überlegen, wie sie ihr Wissen, ihre Talente am gewinnbringendsten für das Unternehmen einsetzen. Als Team erbringen Menschen Leistungen, die ein Einzelner nur schwer erreichen kann. Wissen bleibt nicht in Einheiten „stecken“, sondern kommt dem gesamten Unternehmen zugute.

Zugleich bringt die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern und Unternehmen anderer Branchen Vorteile. Auch freie Mitarbeiter, die ihr Wissen und Können projektbezogen einbringen, müssen eingebunden werden. Denn das umfangreiche Wissen, das für das digitale Zeitalter benötigt wird, kann eine Organisation heute nicht mehr allein vorhalten. Wissen muss also von „außen“ beschafft werden und dies geht am besten über Kooperation und hierarchieübergreifende Zusammenarbeit. Damit sichert die „neue Kultur der Kooperation“ die Marktfähigkeit von Unternehmen.

Was wir in unserer Arbeit als Personalberater außerdem beobachten: Kooperative orientierte Kandidaten legen bei ihren künftigen Arbeitgebern größten Wert darauf, nicht auf Silodenken zu stoßen, sondern möchten produktiv, kreativ und frei über Hierarchiegrenzen hinweg zusammenarbeiten und dem was sie tun, eine Bedeutung verschaffen. Somit ist auch für das Recruitment entscheidend, eine Belegschaft zu haben, die den Austausch pflegt.

„Je weiter sich die Unternehmen mit ihren Angeboten digitalisieren, um so mehr benötigen sie die Fähigkeiten, übergreifend zu denken und sich auch zu vernetzen. Dann geht es nicht mehr nur darum, welche eigenen Daten und Informationen das Unternehmen generiert, sondern darum, wie diese vernetzt, monetarisiert und in neue Service gewandelt werden können und welche Rolle sie in einer Netzwerkökonomie einnehmen.“
Tatjana Wiedemann, Business Transformation Guide

4. Wie kann ich diese Fähigkeit im Vorstellungsgespräch abfragen?

In Vorbereitung auf ein Bewerbungsinterview ist es hilfreich, die Bewerbungsunterlagen gezielt zu sichten. Hat der Kandidat Projekte im Lebenslauf benannt? Welche Rolle hatte er in den Projekten? Welche Projekte/Projektergebnisse werden in Zeugnissen wie beurteilt? In welchen Arbeitsgruppen, in welchen Organisationen und Netzwerken ist/war er engagiert? Zwar ist das noch kein Indiz dafür, dass der Kandidat tatsächlich kooperationsfähig ist, aber diese Informationen lassen darauf schließen, dass er der Zusammenarbeit mit anderen nicht aus dem Weg geht.

Im Bewerbungsinterview selbst haben Sie die Möglichkeit, situationsbezogene Fragen zu stellen, die vergangenes Verhalten betreffen. Dabei erinnert sich der Kandidat an eine frühere Situation, etwa eine Gruppen- oder Projektarbeit, zurück. Der Vorteil dieser Fragemethode ist, dass der Kandidat die Situation Revue passieren lässt und mit Ihnen (als Fragendem) gemeinsam reflektiert. Solche Fragen folgen dem Grundgedanken, dass Verhalten in vergangenen Situationen sich gut zur Vorhersage des Verhaltens in vergleichbaren zukünftigen Situationen eignet. Außerdem lässt der Kandidat anhand der Antworten erkennen, wie reflektiert er das Thema „Kooperation“ bislang bearbeitet hat, welche Stärken er in der Teamarbeit einbringen konnte, welche Herausforderungen er sich bislang stellen musste und welche Rolle er im Team innehatte.

Ergänzend zum Blick zurück ist auch der Blick nach vorn interessant: Welche zukünftige Entwicklung strebt der Kandidat an? Hierbei kann auf die angestrebten Rollen eingegangen werden, welche Kompetenzentwicklung der Teilnehmer in Angriff nehmen und wie er das Team zukünftig bereichern möchte. Bei allen Fragen kann der Aspekt der hierarchieübergreifenden Arbeit in Teams berücksichtigt und als weitere Facette hinzugenommen werden.

Fragen der Art „Wie kooperativ verhalten Sie sich?“, „Was schätzen Sie an Kooperation oder an Teamarbeit?“ oder „Welcher Kooperations-Typ sind Sie?“ liefern Ihnen kaum einen Erkenntnisgewinn, weil sie an die Selbstdarstellung des Kandidaten appellieren und ihn auffordern, „sozial erwünscht“ zu antworten. Deshalb würden wir von dieser Form der Frage, zumindest als alleinige Form der Fragestellung, abraten.Gute Fragen fürs Bewerbungsinterview

Gute Fragen fürs Bewerbungsinterview

Wenn Sie ermitteln wollen, ob ein Kandidat sich zum Beispiel in der Projektarbeit kooperativ gezeigt hat, können Sie gut situationsbezogen fragen:

Bitte denken Sie an Ihr letztes Projekt, das Sie als Projektleiter/Teilprojektleiter übernommen hatten.

  • Welche Aufgabe hatte Ihr Projektteam zu lösen und mit welchem Ziel?

In welcher Rolle und mit welchem Beitrag waren Sie daran beteiligt?

Welchen Anteil hat die Arbeit allein in Anspruch genommen und wie oft haben Sie als Team gemeinsam an Themen gearbeitet?

Was hat Ihr Team erfolgreich gemacht?

Wann standen Ihre persönlichen Ziele im Konflikt mit denen des Teams?

Wie haben Sie die Arbeit des Projektteams konkret gestaltet?

Hat sich Ihrer Meinung nach der Aufwand im Team gelohnt?

Welche Schwierigkeiten traten während der Arbeit im Team auf?

Waren in Ihrem Projektteam auch Mitarbeiter höherer Leitungsebenen involviert?

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit diesen Teammitgliedern gestaltet?

Welche Konflikte gab es und wie haben Sie diese gelöst?

Wie schätzen Sie Ihren Beitrag/Ihren Anteil für das Gelingen des Projektes ein?

Je tiefer Sie mit Detailfragen vordringen, umso mehr wird sich der Kandidat Ihnen zu erkennen geben und Sie werden einschätzen können, wie es um seine Kooperationsfähigkeit bestellt ist.

5. Wie kann ich als Führungskraft diese Kompetenz im Arbeitsalltag beobachten?

Vorweg: Es gibt Menschen, die gern allein arbeiten, und andere, die die Zusammenarbeit bevorzugen. Dies sollte zunächst wertfrei betrachtet werden, weil es noch kein Ausdruck mangelnder Kooperation ist. Schwierig wird es, wenn sich ein Mitarbeitender einer Zusammenarbeit mit anderen grundsätzlich versperrt. Als Führungskraft haben Sie im Arbeitsalltag viele Möglichkeiten, Ihre Mitarbeiter in Situationen zu beobachten, in denen sie entweder die Bereitschaft und Fähigkeit zur Kooperation zeigen oder Möglichkeiten zur Zusammenarbeit aus dem Weg gehen.

Das sind kritische Situationen im Arbeitsalltag, auf die Sie achten sollten:

Silodenken: Die Person ist nicht gewillt, Wissen mit anderen zu teilen. Sie muss häufiger an Termine zur Zulieferung von Informationen erinnert werden. Was sie dann übermittelt, reicht meist nicht aus. Oder: Jemand wird gebeten, Informationen zuzuliefern. Die Person bietet sich an, diese Informationen einzuholen, und liefert später nur spärliche Informationen ab. Sie sucht nicht von sich aus aktiv die Möglichkeit, anderen Informationen zu liefern.

Distanz zu (Führungs-)Kollegen: Es fällt der Person schwer, sich nicht nur auf gleicher Ebene, sondern gegenüber Führungskräften zu öffnen und eine Zusammenarbeit anzustreben. Die Person arbeitet in der Regel (und meist auch gern) allein. Sie fühlt sich in größeren Runden eher unwohl, ist zurückhaltend, gegebenenfalls distanziert. Sie fällt selten durch Redebeiträge auf, es sei denn, sie kann ihren eigenen Beitrag darstellen. Unter Umständen fühlt sie sich im Kreis mit langjährig bekannten und vertrauten Kollegen offener und gelöster.

Den eigenen Vorteil im Blick: Die Person möchte ihre Arbeitsergebnisse lediglich zum eigenen Vorteil nutzen und sucht dafür Anerkennung. Da sie sich nicht als Teil eines Teams/einer Organisation sieht, steht der eigene Nutzen gegenüber dem Team klar im Vordergrund. Insofern sucht sie Konkurrenzsituationen, in denen sie mit ihrem Beitrag „glänzen“ kann.

6. Wie unterstütze ich meine Mitarbeiter, diese Kompetenz zu entwickeln?

Um eine Kompetenz weiterentwickeln zu können, ist es zunächst wichtig, den Ist-Zustand zu kennen: Wie stark ist die Kooperationsfähigkeit ausgeprägt? Dazu bietet die Selbsteinschätzung des Kandidaten, die wir bereits mit Blick auf Bewerbungsinterviews angesprochen hatten, eine gute Ausgangsposition. Um dem Mitarbeiter eine weitere Perspektive zu bieten, kann zusätzlich eine Fremdeinschätzung vorgenommen werden. Das kann Ihre eigene Perspektive oder die eines Kollegen sein. Der Abgleich von Selbst- und Fremdbild könnte es dem Mitarbeiter ermöglichen, blinde Flecken zu erkennen.

Ausgehend von Antworten auf einzelne Fragen kann gemeinsam mit dem Mitarbeiter analysiert werden, an welchen Facetten der Kooperationsfähigkeit die Person arbeiten möchte. Gibt jemand ungern sein Wissen in Projekten preis, können beispielsweise Szenarien durchgespielt werden, in denen er/sie davon profitiert hat, das Wissen zu teilen. Geht jemand zu stark auf Konfrontationskurs, können konkrete alternative Handlungsstrategien andiskutiert und in künftigen Projekten ausprobiert werden. Ist ein zu starkes Verharren in hierarchischen Denkstrukturen Teil des Problems, können diese sukzessiv aufgeweicht werden – beispielsweise durch das Ausprobieren hierarchieübergreifender Zusammenarbeit bei einzelnen Fragestellungen.

Generell kann das Interesse an Kooperation gestärkt werden, wenn Sie als Führungskraft der Person rückmelden, welch wichtige Rolle ihr im Team zukommt. Welche Stärken machen die Person für das Team wertvoll? Durch diese Wertschätzung erkennt die Person ihre eigene Bedeutung als Teammitglied. Dadurch wird die Zugehörigkeit zum Team gestärkt sowie die Person motiviert, die eigenen Kompetenzen als Teammitglied zu entdecken, zu entwickeln und als Teil des eigenen Kompetenzspektrums zu verstehen.

Gleichzeitig können Sie der Person auch Ihre Erwartungen zur Kompetenzentwicklung mitteilen und mit ihr besprechen. Welche Rolle soll die Person zukünftig im Team oder in Projektteams einnehmen? Mit welchen ersten Schritten könnten sich beide Seiten eine entsprechende Entwicklung vorstellen? Gäbe es die Möglichkeit, in aktuellen Projekten erste Schritte in Angriff zu nehmen?

„Als Führungskraft sollten Sie die von Ihnen gewünschten kooperativen Verhaltensweisen authentisch vorleben. Arbeiten Sie als Führungskräfte füreinander und leben Sie vor, was Sie sich von Mitarbeitenden wünschen. Ein weiterer Tipp: Reden Sie immer vom Wir und von gemeinsamen Problemen und Aufgaben. Kommunizieren Sie, warum es wichtig ist, gemeinsam diese Herausforderung zu meistern. Dann werden sich Ihre Mitarbeiter gegenseitig unterstützen und schneller Ideen und Lösungen entwickeln.“
Dr. Heike Faust, Systemischer Business Coach

Die Autoren
Ina Westphal ist Geschäftsführerin von Hellmund. Die Personalberater. Sie besetzt Experten- und Führungsfunktionen in engen Bewerbermärkten und setzt diagnostische Tools und Verfahren für die Prüfung beruflicher Eignung bzw. die Potenzialbeurteilung ein.
Kontakt: iw(at)hellmund-berater.de

Dr. Patrick Schardien entwickelt als Mitgründer und Geschäftsführer der Personeco GmbH passgenaue Fragebögen für unternehmensspezifische Kompetenzmodelle. Der Arbeits- und Organisationspsychologe berät Unternehmen bei Personalauswahl und -entwicklung.
Kontakt: schardien(at)personeco.de