Auditteam - Chance oder Risiko?
Auditteams auf Zeit? Das ist Chance und Wagnis zugleich. Im Team auditieren, heißt unterschiedliche Blickwinkel zu einem Gesamtbild zu konsolidieren. Auditteams können aber auch Spannungen erzeugen. Wir erläutern, wie Sie es als Mitglied eines Auditteams schaffen, durch Kooperation das Bestmögliche aus einem Audit zu holen. Und welche Klippen Sie dabei umschiffen sollten.
Was ist ein Auditteam und wie arbeitet es?
Auditteams können aus zwei oder mehr Personen bestehen, die das Audit durchführen. Ein Auditor übernimmt die Leitung des Auditteams. Der Begriff „Auditteamleiter“ wird oft synonym zum Begriff „Leitender Auditor“ verwendet. Das Auditteam kann dabei auch Personen einschließen, die sich in Ausbildung befinden. Teil des Auditteams können Fachexperten sein, die dem Auditteam ihr spezifisches Wissen und / oder Fachkenntnisse zur Verfügung stellen. Und schließlich können Beobachter ein Auditteam begleiten, aber selbst nicht auditieren. Der passive Beobachter ist somit nicht direkt Teil des Auditteams und hat auch keinen Einfluss auf die Durchführung des Audits. (z.B. in Witnessaudits)
Anmerkung: Interne Auditteams arbeiten teilweise anders als 3rd-party Auditteams. Wir betrachten in diesem Beitrag primär das Zertifizierungsaudit.
Welche Anforderungen gelten für Auditteams?
Anforderungen für Auditteams sind in der ISO 19011 (z.B. Abschnitt 5.5.4) und für 3rd party Audits zusätzlich in der ISO 17021 (z.B. Abschnitt 9.2.2 und Anhang A) enthalten. Die Zusammensetzung von Auditteams wird maßgeblich durch Kompetenzanforderungen bestimmt. In Hinblick auf überfachliche Kompetenzen (Soziale und Persönliche Kompetenzen) sind die Anforderungen an alle Team-Mitglieder gleich. Ebenso müssen alle Auditoren die vollständige Handlungskompetenz in Hinblick auf die Auditmethoden mitbringen. Den Unterschied machen die Fachkompetenzen und die Branchenexpertise. Deshalb „begutachten“ Auditteams auch nicht permanent gemeinsam die Organisation. Vielmehr prüft – je nach Kompetenz – der jeweilige Auditor den Bereich, für den er/sie fachlich versiert ist.
Was sind die Aufgaben und Verantwortungsbereiche eines Auditteams?
Vorweg: Die Zusammensetzung des Auditteams wird in aller Regel durch die Zertifizierungsstellen festgelegt. Sie haben den Überblick über Qualifikationen, Erfahrungen und Kapazitäten ihrer Auditoren. Sie bestimmen meist auch den Leitenden Auditor. In diesem Schritt werden Rollen, Aufgaben und Befugnisse festgelegt.
Der Auditteamleiter bereitet die anstehenden Audittage vor. Er übernimmt die Planung (Zeitplanung, Auditplan, Abstimmung mit den Teamkollegen), die Kommunikation mit der zu auditierenden Organisation bzw. den Bereichen. Er kümmert sich um die Steuerung des Auditprozesses am Audittag. Und er koordiniert die Nachbereitung des Audits (Auditdokumentationen aller Beteiligten aufnehmen und zusammenführen) und erstellt den Auditbericht. Auch die finale Entscheidung über (Nicht-) Konformitäten und die Empfehlung für die Zertifikatsentscheidung liegt meist in den Händen des Audit-Teamleiters.
Heißt das im Umkehrschluss, dass der Audit-Teamleiter eine höhere Qualifikation hat als die Teammitglieder? Nicht unbedingt. Normalerweise sind alle Auditoren im Team gleich qualifiziert. Hin und wieder werden auch (Fach-)Experten zu den Audits hinzugezogen, wenn Auditoren die fachlichen Kompetenzen für die zu auditierende Organisation nicht komplett abdecken.
Welchen Unterschied macht der Einsatz eines Auditteams im Vergleich zu einem einzelnen Auditor? Die Auditzeit (nicht die Anzahl der Audittage) verkürzt sich für die auditierte Organisation. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die auditierte Organisation auch mehrere Auditoren während des Audits begleiten und betreuen muss.
Daraus folgt, dass der Leitende Auditor für die Planung - je nach Komplexität und „Scopes“ der Auditoren - einen höheren Koordinationsaufwand hat im Vergleich zur alleinigen Durchführung. Im Auditplan müssen daher angemessene Zeitfenster geplant werden:
für den Austausch von Auditbeobachtungen und möglicher Nichtkonformitäten (mit Auswirkungen auch auf andere Bereiche)
für die Abstimmung zur weiteren Vorgehensweise im Audit
für die Klärung unterschiedlicher Sichtweisen/Wahrnehmungen der Auditoren untereinander und auch mit der auditierten Organisation
Nach der Eröffnung und dem Gespräch zu den Management- & Führungselementen (siehe Grafik) im Audit teilt sich das Team auf. Jedes Teammitglied bearbeitet seinen Teil des Auditplans. Zwischendurch gibt es Teambesprechungen zum Abgleich/Austausch. Und am Ende des Audittages finden sich alle zu Rückmeldegesprächen wieder zusammen.
Im Auditteam zu arbeiten, bietet die Chance, unterschiedliche Sichtweisen und Wahrnehmungen zu einem Gesamtbild zu konsolidieren. Das ist hilfreich für die beteiligten Auditoren, die durch Kollegen auf neue, andere Aspekte aufmerksam werden. Es kann sehr inspirierend für die auditierte Organisation sein, die einen vielschichtigen Blick auf ihre Organisation erlangt. Das Risiko besteht darin, dass unterschiedliche Perspektiven von Kollegen auch zu Irritationen bei der auditierten Organisation führen können. Und es kann zu Meinungsverschiedenheiten unter den Auditteam-Mitgliedern führen.
Für umfangreiche Audits braucht es deshalb einen Auditor, der „den Hut aufhat“ und die Verantwortung übernimmt. Unter Kollegen spricht man deshalb manchmal gern ironisch statt vom „Leitenden Auditor“ vom „leidenden“ Auditor.
Welche Probleme können in Auditteams auftreten?
Wenn Sie in einem komplexen, vielleicht sogar mehrtägigen Audit im Team arbeiten, werden Probleme mit Audit-Kollegen schnell sichtbar.
Sind Ihnen vielleicht jene Auditoren-Kollegen schon begegnet?
die Ihnen „in die Parade fahren“ oder Ihnen im Gespräch mit dem Geschäftsführer über den Mund fahren? („Was mein Kollege damit eigentlich sagen wollte, ist…“)
die Sie fortwährend unterbrechen oder die Gesprächsführung an sich reißen, obwohl die Rollen verteilt sind?
deren Audit-Vorgehensweise anders ist, so dass Sie am Ende Schwierigkeiten haben, die Ergebnisse zusammenzuführen?
die sich in Ihren internen Teambesprechungen verächtlich über Personen der zu auditierenden Organisation äußern?
die nur ihre Lieblingsthemen und -fragen im Audit bearbeiten?
die so kleinteilig arbeiten (deren Fokus z.B. nur rein die Konformität und nicht auch die Wirksamkeit ist), dass sie sich in detaillierten Prozessschritten verlieren und die Auditzeiten überschreiten?
die die gute alte Audit-Checkliste zücken und keinen Blick „daneben“ riskieren?
deren Fragetechnik von geschlossenen Fragen bestimmt wird, wodurch das Auditgespräch erlahmt oder Risiken nicht ausreichend erfasst werden?
Dann hoffen wir inständig, Sie kennen auch die anderen Kollegen:
mit denen das Audit „wie eine geölte Maschine“ läuft? Weil man einander unterstützt, sich die Bälle zuwirft und rücksichtsvoll miteinander umgeht.
bei denen die auditierte Organisation merkt, dass Sie ein „eingespieltes“ Team sind (obwohl Sie sich vielleicht noch gar nicht lange kennen)?
von denen Sie im Audit lernen können?
die Sie in schwierigen bzw. Konfliktsituationen unterstützen?
die Freude am gemeinsamen Auditieren haben, weil sie das bereichernd finden und Interesse an der eigenen Weiterentwicklung der Methodenkompetenz haben?
die neuartige/ungewöhnliche Fragen stellen und dafür sorgen, dass sich die Organisation öffnet und aktiv mitarbeitet?
Was diese Beispiele zeigen: Um als Auditteam erfolgreich zu sein und einheitlich aufzutreten, braucht es mehr als die Vorgaben der Regelwerke oder den gleichen Arbeitgeber/ Beauftragenden (die Zertifizierungsstelle). Audit-Teams sind Teams auf Zeit. Sie sind dazu verdammt, kooperativ zusammenzuarbeiten und in kurzer Zeit zusammenwachsen.
Wie gelingt eine gute Zusammenarbeit in Auditteams?
Tipps aus dem Methodenkoffer
Unterschiede in den Rollen anerkennen und Bedürfnisse im Team berücksichtigen.
Die Rahmenbedingungen für Auditteams auf Zeit sind komplex. Nehmen Sie sich deshalb im Vorfeld die Zeit, um mit jedem (aktiven) Auditteam-Mitglied über Rollen und Aufgaben zu sprechen, aber auch den Umgang mit möglichen Befindlichkeiten (persönliche „Stopp-Schilder“) zu klären. Besprechen Sie auch:
Können gewisse Stärken/ Vorlieben im Audit (sofern möglich) berücksichtigt werden?
Wie können geografische Gegebenheiten (Anreise, Abreise) beachtet werden?
Wer braucht wann Pausen und wie lassen diese sich in die Auditplanung integrieren?
Audittage im Vorfeld gemeinsam planen und Spielregeln festlegen.
Stimmen Sie Auditziele und Vorgehensweisen ab, z.B. unter Berücksichtigung des Erfahrungslevels (Erfahrung als Auditor und mit der auditierten Organisation) und vergessen Sie nicht, dabei die Ergebnisse vorheriger Audits einzuschließen.
Treffen Sie genaue Absprachen über Dokumentation, Austausch von Auditfeststellungen, Berichterstellung.
Treffen Sie Absprachen zu Zeiten und Form der gemeinsamen Reflektion.
Nehmen Sie für das Audit mögliche kritische Situationen vorweg und wie Sie gemeinsam damit umgehen wollen. Was tun wir, wenn das passiert? Wie signalisieren wir dem Kollegen, wenn uns etwas auffällt, ohne dass wir ihn bloßstellen? Was ist zu tun, wenn der Kollege die Audit-Zeiten nicht einhält?
Neue Auditoren unbedingt ins Team integrieren.
Manche Auditoren denken, neue Auditoren werden sich schon von selbst ins Team integrieren. Weit gefehlt. Bereiten Sie sich vor dem Audit auf die gemeinsame Kraftanstrengung vor. Sind neue Kollegen dabei, geben Sie Ihnen im Vorfeld Raum sich vorzustellen, Ansprüche zu benennen und Wertvorstellungen mit anderen abzugleichen.
Sich regelmäßig austauschen und Konflikte managen
Sie sollten nicht erst miteinander offen sprechen, wenn ein Konflikt eskaliert. Deshalb gilt: Machen Sie als Auditteamleiter Ihre inhaltlichen Erwartungen klar. Sprechen Sie auch scheinbar Selbstverständliches aus. So entwickeln Sie eine gemeinsame Diskussions- und Feedbackbasis. Im Audit: Vereinbaren Sie Spielregeln im Umgang mit internen Konflikt-Situationen. Vertagen Sie interne Konflikte auf die Teambesprechungen und sorgen Sie dort für Lösung. Nach dem Audit: Gehen Sie nicht auseinander, ohne Klärung oder Feedback oder „sich seinen Teil zu denken“. Vielleicht arbeiten Sie demnächst wieder miteinander.
Konkurrenzdenken / Überbietungswettbewerbe verhindern.
Dass insbesondere freiberufliche Auditoren im Wettbewerb zueinanderstehen („das könnte mein nächster Kunde sein“), ist unvermeidlich. Wenn sich daraus jedoch eine Situation entwickelt, in der sich Auditoren gegenseitig überbieten, kann das schädlich sein. Bemüht sich ein Auditor besonders um die Aufmerksamkeit des Auditkunden, kann das Folgen für den einheitlichen Auftritt oder gar für die Unparteilichkeit haben. Definieren Sie sich eine „Mini-Kultur“ für den Tag, vereinbaren Sie ein Zeichen, wenn Sie Kollegen stoppen möchten.
Sich von der auditierten Organisation nicht gegeneinander ausspielen lassen.
Es kann passieren, dass ein Auditierter nicht mit der Meinung Ihres Kollegen übereinstimmt. Er holt sich deshalb bei anderen Auditoren des Teams eine Art „Gegenmeinung“ ein. Informieren Sie sich im Auditteam rechtzeitig über kritische Auditfeststellungen, Auffälligkeiten und Meinungsverschiedenheiten. So verhindern Sie, dass im schlechtesten Falle unterschiedliche Aussagen im Raum stehen und Sie als Kollegen gegeneinander ausgespielt werden. Wenn Sie vom Auditierten angesprochen werden, halten Sie erst Rücksprache mit ihren Kollegen, bevor Sie ein Statement abgeben.
Auditierte fragen oftmals nach, wo im Regelwerk das Erfragte steht und was genau getan werden muss, um normen- oder rechtskonform zu sein. Fallen Sie hier mehrfach durch Wissenslücken auf, wirkt das ungünstig auf die Glaubwürdigkeit und bei der Präsentation der Auditfeststellungen und -ergebnisse. Seien deshalb immer gut vorbereitet. Sollten Sie dennoch einmal danebenliegen, hilft auch ein gemeinsamer Blick in die Norm/das Gesetz. Das ist menschlich und wirkt sympathisch.
Das Audit mit einem qualifizierten Feedback an Kollegen abschließen.
Auditteams auf Zeit begegnen sich nicht immer im nächsten Audit wieder. Nutzen Sie nach dem Audit die Chance, über Wahrgenommenes zu sprechen. Der Auditoren-Job ist oftmals einsam, weshalb ein Audit im Team die Chance ist, ein fundiertes Feedback von Kollegen zu erhalten. Das Feedback hat auch noch eine andere wichtige Funktion. Wenn Sie wieder mit den Kollegen in einem Audit zusammenarbeiten, sind gegenseitige Erwartungen klar und Sie wissen, auf was Sie sich bei Ihrem Kollegen einstellen müssen.
Fazit
Schon das Audit selbst ist eine komplexe Angelegenheit. Die Arbeit in einem Audit-Team auf Zeit sorgt da für zusätzliche Herausforderungen. Von Ihnen wird erwartet, ein eingespieltes Team zu sein und gut zusammenzuarbeiten, um die Auditziele zu erreichen. Deshalb stimmen Sie sich im Vorfeld miteinander ab, nehmen Sie sich Zeit für die Vorbereitung. Kooperieren Sie eng mit Ihren Kollegen im Audit. So reduzieren Sie Reibungsverluste.
Offenheit für Neues – aufgeschlossen sein
Verhandlungskompetenz – teamfähig sein, effektiv mit Auditteammitgliedern interagieren
Reflexionsfähigkeit – offen für Verbesserungen sein, selbstsicher sein.
Soziales Gespür - kulturell sensibel sein, diplomatisch und taktvoll im Umgang mit anderen
Zu den Autorinnen
Für die kollaborative Beitragsserie „Praxistipps für den Auditoren-Alltag“ arbeiten wir mit einer Gastautorin zusammen, die sich mit großer Leidenschaft für die Weiterbildung von Auditoren einsetzt und praxisnah aus dem Alltag berichtet.
Andrea Kruck arbeitet seit vielen Jahren als Auditorin, Trainerin und Coach bei namhaften Unternehmen der Prüfdienstleistungsbranche. Aktuell ist sie als Fachbereichsleitung Training bei der IFU Cert GmbH u.a. für die Auditorenaus- und weiterbildung verantwortlich.
Ina Westphal ist Personalberaterin und Geschäftsführerin von Hellmund. Die Personalberater. Sie besetzt seit vielen Jahren Führungs- und Expertenfunktionen in der TIC-Branche und in Qualitäts- und Nachhaltigkeitsabteilungen bei Unternehmen. Ein Schwerpunkt und Herzensthema ist für sie der Auditorenberuf.