„Ich will mich als Frau nicht zurücknehmen“

Vanessa Amato war als BWL-Studentin Mentee von Ina Westphal. Im Gespräch erinnert sie sich an diese Zeit und erzählt, wie es danach beruflich für sie weiterging.

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Ina Westphal: Wir haben uns während deines BWL-Studiums an der Universität Potsdam kennengelernt. Warum hast du dich damals für das Mentoringprogramm beworben?
Vanessa Amato: Ich konnte mir gut vorstellen in der Wirtschaft Karriere zu machen, aber mir war nicht klar, wie ich diesen Wunsch in die Tat umsetzen sollte. Da kam das Mentoring-Programm von Frauen für Frauen gerade recht. So konnte ich Kontakte zu praxiserfahrenen und schon erfolgreichen Frauen wie dir knüpfen. Außerdem lernte ich Frauen kennen, die ähnlich auf der Suche waren wie ich. Das war sehr wertvoll.

„Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Frage ,Was wäre das Schlimmste, was in der Situation passieren könnte?‘ Das hat mir gezeigt, dass meine Befürchtungen, die mich vorher gehindert haben, den nächsten Schritt zu gehen, in Wirklichkeit unbegründet waren.“

Was war das Wichtigste, das du für dich mitgenommen hast?
Wir haben zusammen erarbeitet, welche Schritte nötig sind, um meine Ziele zu erreichen. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Frage „Was wäre das Schlimmste, was in der Situation passieren könnte?“ Das hat mir gezeigt, dass meine Befürchtungen, die mich vorher gehindert haben, den nächsten Schritt zu gehen, in Wirklichkeit unbegründet waren.

Dann hast du ein Praktikum bei PricewaterhouseCoopers absolviert …

Das war tatsächlich ein großer Schritt, mich überhaupt für das Praktikum zu bewerben. Dazu muss man wissen, dass ich vor dem Studium eine Ausbildung zur Bankkauffrau absolviert hatte und immer noch in der Bank arbeitete. Ich stand also vor der Entscheidung, ob ich für ein Praktikum in dieser großen Unternehmensberatung eventuelle Aufstiegsmöglichkeiten bei meinem Arbeitgeber aufs Spiel setzen sollte, da ein externes Praktikum dort nicht gern gesehen wurde.

War die Entscheidung rückblickend richtig?
Es war ein Sprung ins kalte Wasser, den ich nicht bereue. Ich habe als Associate bei PwC begonnen und bin im Oktober 2020 zum Senior Associate befördert worden. Ich hatte in meinen sechs Jahren bei der Bank viel gelernt, wovon ich auch heute noch profitiere. Aber das Arbeiten unterscheidet sich grundsätzlich voneinander. In der Bank gibt es feste Teamstrukturen, die ich so in der Wirtschaftsprüfung nicht mehr habe. Ich arbeite in jedem Projekt mit anderen Menschen zusammen und habe auch immer wieder mit wechselnden Mandanten zu tun: Da ist vom DAX-Unternehmen bis zum Start-up alles dabei.

Was ist die größte Herausforderung in deinem Job?
Neu für mich war, in erhöhtem Maße selbstbestimmt zu arbeiten und dabei Deadlines einzuhalten. Ich habe die Arbeitsbelastung anfangs etwas unterschätzt, da diese sich in bestimmten Zeitfenstern stark konzentriert. Aber ich habe tolle Kolleginnen und Kollegen. Gerade in einem stressigen Job ist es wichtig, die Freude am Arbeiten und dem Miteinander nicht zu verlieren.

„Ich habe einige Frauen als Vorbild bei meinem Arbeitgeber, die einen klaren Karriereweg haben, der auch nach ihrer Schwangerschaft vorangeht. Das inspiriert und ermutigt mich, meinen Weg weiterzugehen.“

Als junge Frau unter 30: Wie beurteilst du deine Karrierechancen und beruflichen Entwicklungsmöglichkeiten?
In einem Berufsumfeld, was in den Führungspositionen sehr männlich dominiert ist, habe ich in den vergangenen Jahren dennoch das Gefühl bekommen, dass die Karrierechancen und Entwicklungsmöglichkeiten für Frauen besser sind denn je. Das Thema wird zunehmend durch Frauennetzwerke, die Frauenquote und flexible Teilzeitmodelle angegangen. Auch wenn ich das Gefühl habe, dass in den Großstädten und in den größeren Unternehmen dieser Wandel schon angekommen ist, sind wir als Frauen überall in der Verantwortung, uns darauf zu berufen und diese Punkte einzufordern. Ich selbst habe mir die Frage gestellt, ob es ratsam ist, einen steilen Karriereweg anzustreben, wenn ich weiß, dass die Familienplanung noch nicht abgeschlossen ist.

Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?
In meinen Augen ist es wichtig, sich nicht im Vorhinein den Weg selbst zu verbauen, indem man sich als Frau zurücknimmt, unter dem Vorwand, später aufgrund der Kinderplanung nicht mehr 120-prozentig einsetzbar zu sein. Ich habe einige Frauen als Vorbild bei meinem Arbeitgeber, die einen klaren Karriereweg haben, der auch nach ihrer Schwangerschaft vorangeht. Das inspiriert und ermutigt mich, meinen Weg weiterzugehen.

Was sind deine nächsten Schritte?
Ich möchte die Chancen und Angebote im Unternehmen ausschöpfen und gerne im Rahmen einer zeitweisen Abordnung – einem sogenannten Secondment ¬– Arbeitserfahrung im Ausland sammeln, andere Arbeitskulturen, Herangehensweisen, Strukturen kennen und verstehen lernen. Es ist immer gut, einen Plan zu haben und Ziele zu fokussieren. Das habe ich auch von dir gelernt.

Zur Person:
Nach ihrem Abitur 2012 absolvierte Vanessa Amato (Jg. 1992) eine Ausbildung als Bankkauffrau. Im Anschluss daran studierte sie von 2015 bis 2018 an der Universität Potsdam Betriebswirtschaftslehre. Ein achtwöchiges Praktikum während des Abschlusssemesters führte sie im Frühjahr 2018 zu PricewaterhouseCoopers. Seit Oktober 2018 gehört sie fest zum Team der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft; inzwischen als Senior Associate.