Der Fachkräftebedarf in der TIC-Branche wächst

Jeder vierte Auditor bzw. Sachverständige, der bei einem Prüfdienstleister in Deutschland abhängig beschäftigt ist, wird in den nächsten 10 Jahren in den Ruhestand gehen. Was bedeutet das konkret? Wir haben uns einmal Zahlen angesehen.

Den aktuellen KOFA-Analysen KOFA (Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung) für den Arbeitsmarkt ist zu entnehmen, dass 6,7 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigte heute 55 Jahre oder älter sind. Die Folge: Innerhalb der nächsten zehn Jahre wird voraussichtlich jeder vierte Beschäftigte den Arbeitsmarkt altersbedingt verlassen.

Schon heute ist der Anteil der offenen/unbesetzten Stellen für Auditoren und Sachverständige bei Prüfdienstleistern enorm hoch. Das zeigen die aktuell offenen Stellen der 4 größten Prüfdienstleister in Deutschland. (Quelle: Auswertung Karriereseiten, Stand: 02.07.24) Der „demografische Berg“ und das Fehlen von qualifiziertem Nachwuchs hat die Prüfdienstleister schon seit einigen Jahren erfasst.

Zusätzlich stehen alle Prüfdienstleister bei der Beschaffung qualifizierten Personals in starkem Wettbewerb zueinander. Weil es schon heute zu wenige Spezialisten am Markt gibt, die die hohen Qualifikationsanforderungen erfüllen, wird um diejenigen intensiv gerungen. Zwei Beispiele, die den akuten Mangel belegen: Auditoren für IATF 16949 oder Sachverständige für Funktionale Sicherheit.

Für 6 von 10 offenen Stellen bundesweit gibt es keine passend qualifizierten Spezialisten (Akademiker). Übertragen auf den TIC-Markt bedeutet das: Für die große Zahl ausscheidender Auditoren & Sachverständige gibt es aktuell keinen adäquaten Ersatz.

Die steigende Nachfrage nach hoch qualifizierten Experten/Spezialisten in der TIC-Branche trifft auf sinkende Erwerbstätigen-Zahlen.

Zu den Gewinner-Branchen im Zuge der sozial-ökologischen Transformation und des Digitalisierungsschubs gehört vor allem der Branchen-Bereich „Technische, physikalische und chemische Untersuchung“. (wozu Prüfdienstleister zählen) Quelle: Bertelsmann-Stiftung („Nachhaltigkeitswandel als Jobmotor für die deutsche Wirtschaft“)

Zwischen 2020 und 2040 wird in Deutschland die Zahl der 45 bis 66-jährigen Erwerbstätigen um 3,2 Millionen schrumpfen. (ein Minus von 13,3 %) Quelle: BIBB-Report (3/2022)

Bis 2040 werden 5,1 Millionen Berufstätige  mit einem hohen Qualifikationsprofil (Bachelor und höher) aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Quelle: Bertelsmann-Stiftung („Wegweiser Kommunen“)

Die bis 2040 auf/in den Arbeitsmarkt drängenden Generationen sind verstärkt in Dienstleistungstätigkeiten qualifiziert, während die aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Generationen häufiger in produzierenden Berufen qualifiziert/tätig sind. Quelle: Bertelsmann-Stiftung („Wegweiser Kommunen“)

Was hat das mit der TIC-Branche zu tun?

Die wertschöpfenden Berufsgruppen der Prüfdienstleister sind Sachverständige, Auditoren, Gutachter, Consultants, Inspekteure/Prüfer und Techniker. Wer in einer dieser Berufsgruppen bei Prüfdienstleistern arbeitet, muss in der Regel länger berufserfahren und weitreichend qualifiziert sein. Den Qualifikationsrahmen geben vielfach Gesetze, Regelwerke oder Verordnungen vor. Nur dann können diese Experten berufen/zugelassen und damit eingesetzt werden.

Die genannten Berufsgruppen sind (auch wegen Personalmangels) einer hohen Arbeitsbelastung und anspruchsvollen Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Ein Beispiel: Auditoren für die Standardnormen 9001, 14001 und 50001 absolvieren – je nach Unternehmen - zwischen 120 und 150 Audittage pro Jahr (bei durchschnittlich 220 Arbeitstagen/Jahr).

Die Prüfdienstleister kämpfen – wie andere Unternehmen auch – seit Jahren mit einer älter werden Belegschaft. Ein Beispiel: Der Geschäftsbericht 2023 des TÜV Nord weist für die Belegschaft (in Deutschland) aus, dass 42 % der Mitarbeitenden im Alter zwischen 51 und älter sind.

Es braucht daher neue Konzepte für die Personalgewinnung. Es braucht eine Diskussion über Belegschaften, die fit für die Zukunft sind und darüber, wer künftig die verstärkte Nachfrage nach TIC-Dienstleistungen bedient.

Ansatzpunkte:

  • Quereinsteiger qualifizieren und eine Chance geben

  • Ausländische Fachkräfte anwerben und nachqualifizieren

  • Langfristige Einstiegs-/Aufstiegsprogramme für Menschen in Spezialisten-Berufen entwickeln

  • Jobprofile neu denken, um Attraktivität zu erhöhen

  • Frauen: Bedingungen für den Wiedereinstieg und zum Aufstocken des Teilzeitjobs schaffen

  • Arbeitsbedingungen (insbesondere Gehalt und Arbeitszeitmodelle) attraktiver gestalten.

Es herrscht nicht erst in Zukunft sondern bereits heute akuter Mangel an Fachpersonal bei Prüfdienstleistern – und zwar für die wertschöpfenden Hauptbereiche. Den Auswirkungen kann sich niemand entziehen. Das Problem ist nicht neu, es kommt auch nicht schleichend daher. Jetzt wird es darauf ankommen, welche Konzepte und Maßnahmen Prüfdienstleister ergreifen, damit Wertschöpfung gelingt und weiteres Wachstum möglich ist.