„Ärzte sollten viel stärker digitale Tools nutzen“
Digitale Hilfsmittel optimieren nicht nur die Therapie von Patienten, sie können auch die Work-Life-Balance von Medizinern verbessern. Genau dort setzt Dr. Felix Cornelius mit seinem Start-up TumorScout an.
Wie hat es Sie als promovierten Informatiker in die Gesundheitsbranche verschlagen?
Aus meinem Interesse heraus, komplexe Systeme zu strukturieren, bin ich in der Unternehmensberatung gelandet. Auf Dauer war mir das aber zu wenig: Ich fuchse mich gern richtig in Themen ein und möchte nicht nur beraten. Nach einem Abstecher in die Softwareentwicklung wurde ich gefragt, ob ich das erste „große“, alle Fachrichtungen umfassende medizinische Versorgungszentrum (MVZ) in Deutschland mit aufbauen will. Dort sollten alle Ärztinnen und Ärzte mit derselben IT arbeiten und eine einheitliche Patientenakte nutzen. Ich wollte. Das war 2004. In diesem MVZ namens Polikum habe ich bei fast allen Themen mitgemacht: Strategie, Technologie, Außendarstellung, Personal und Partner. Seitdem bin ich sehr gut vernetzt in der Branche.
Ihr neues Projekt heißt TumorScout. Was steckt dahinter?
Ich möchte Ärzten den Einsatz digitaler Hilfsmittel erleichtern. Mit TumorScout bieten wir ein Online-Tool zur Krebsregistermeldung an. TumorScout kann die Daten aus Arztinformations- und Praxisver-waltungssystemen nutzen, die Patienten finden, für die eine Meldung an das Krebsregister ansteht und einen großen Teil der Formulare bereits vorab befüllen. Das reduziert den Zeitaufwand für die Ärzte und erhöht die Qualität. Perspektivisch möchte ich einen Marktplatz für Hersteller verschiedener digitaler Hilfsmittel wie Patienten-Apps aufbauen. Solche Tools sollten Ärzte viel stärker nutzen – so wie Piloten, die zur Entscheidungsunterstützung auf Sensoren und Software setzen. Software kann Symptome zuverlässiger erfassen und Krankheiten viel schneller diagnostizieren helfen, auch wenn der Mensch schließlich die Entscheidung trifft und Verantwortung übernimmt.
Können Sie noch ein Beispiel für ein nützliches Tool nennen?
Eine sehr simple Anwendung ist beispielsweise ein Miktionstagebuch. Es kann bei der Diagnose, der richtigen Einschätzung und damit auch bei der Therapie von Harnwegserkrankungen helfen. Dabei werden die Häufigkeit und Probleme beim Wasserlassen erfasst – idealerweise per App während der Tage oder Wochen vor einem Arztbesuch. Der Urologe erhält so ein viel differenzierteres Bild, als wenn er den Patienten bei der Anamnese im Sprechzimmer fragt: „Wie ist es Ihnen denn in den letzten zwei Wochen ergangen?“ Leider haben es solche digitalen Hilfsmittel schwer in unserem Gesundheitssystem, weil das insgesamt verfügbare Geld über die ambulanten Budgets in der Regel schon verplant beziehungsweise ausgegeben wurde. Geld für ein solches Miktionstagebuch müsste also an anderer Stelle abgezogen werden. Dagegen wehren sich die Interessensvertreter der Ärzte natürlich, und damit haben sie meist Erfolg, auch weil sie in unserem System keinen wirklichen Wettbewerb fürchten müssen. Dennoch kommt Stück für Stück Bewegung in die Sache.
Wodurch?
Natürlich begrüßen auch viele Ärzte diese Ideen und wünschen sich und ihren Patienten bessere IT-Unterstützung. Immer häufiger legen vor allem Nachwuchsärzte auch Wert auf eine gute Work-Life-Balance und wollen die Zeit in der Praxis sinnvoller und mit weniger Routine und Bürokratie verbringen. Die Digitalisierung hilft dabei. Vor allem Technologien, die den Organisationsaufwand reduzieren, haben gute Chancen. Digitale Tools machen aber auch die Arbeit für Praxismitarbeiter angenehmer. Arzthelferinnen und Arzthelfer müssen sich nicht mehr mit gleichförmigen Tätigkeiten befassen und die Attraktivität dieses Berufs steigt. Eine weitere Tendenz, die die Transformation begünstigt: Die Politik treibt die Nutzung digitaler Hilfsmittel voran und nimmt mit gesetzgeberischen Maßnahmen Einfluss auf die Erstattungsfähigkeit sogenannter Digitaler Gesundheitsanwendungen („DiGA“) durch die Krankenkassen.
Zur Person:
Der promovierte Informatiker Dr. Felix Cornelius hat in den 2000er-Jahren das größte MVZ Deutschlands mitaufgebaut. Danach war er unter anderem Geschäftsführer der goMedus GmbH und der DIFA Deutsches Institut für Fachärztliche Versorgungsforschung GmbH. Mit der neu gegründeten tumorscout GmbH will er Ärzten digitale Anwendungen zur Unterstützung der Versorgung von Krebspatienten zur Verfügung stellen.
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