„Sie sollten sich fragen: Was hält mich denn immer noch ab?“

Kathrin Koehler coacht Unternehmen, Mitarbeiter und Selbstständige, wie sie LinkedIn souverän nutzen können. Worauf es beim Netzwerken auf dieser Plattform ankommt, erklärt sie hier im Interview.

Welche Fehler machen Unternehmen am häufigsten bei LinkedIn?

Viele Unternehmen – und auch Einzelpersonen – senden nur Botschaften, sagen, wie toll sie sind, aber gehen nicht in den Austausch mit anderen. Wenn sie Marketingbotschaften senden, erwarten sie von ihren Mitarbeitenden dass diese als Markenbotschafter alles teilen und liken. Aber was auf LinkedIn zählt, ist Beziehungspflege durch fachlichen Austausch. Nur so können wir Vertrauen und ein belastbares Netzwerk aufbauen. Was ich noch sehe: Unternehmen, die sich komplett verweigern, wirken verdächtig. Entweder haben sie etwas zu verbergen oder sie stellen sich gegen zeitgemäße Kommunikation – beides ist nicht gut.

Wie sieht es mit Personen aus, die LinkedIn nicht nutzen wollen?

Das ist natürlich ihr gutes Recht. Mit einem Bekannten führe ich seit vier Jahren die Diskussion, ob bei LinkedIn nur Selbstdarsteller:innen unterwegs sind oder nicht. Ich bin der Meinung, dass die Plattform das ist, was ich daraus mache. Die Selbstbeweihräucherung kann ich ja ignorieren. Wenn ich mich davon abschrecken lasse, verpasse ich die Chancen, die LinkedIn bietet.

„In meinem Profil sitze ich am Steuer, muss nicht auf Order von oben handeln, sondern kann mich selbstbestimmt präsentieren und ausprobieren. Meine digitale Präsenz arbeitet 24/7 für mich. Und ich kann mir persönlich ein Netzwerk aufbauen, das mich mein gesamtes Berufsleben durch alle Unsicherheiten heutzutage begleitet.“
Kathrin Koehler

Welche sind das?

LinkedIn ist ein super Trainingsfeld für die Arbeitswelt. In meinem Profil sitze ich am Steuer, muss nicht auf Order von oben handeln, sondern kann mich selbstbestimmt präsentieren und ausprobieren. Meine digitale Präsenz arbeitet 24/7 für mich, generiert zum Beispiel für mich als Arbeitnehmer:in neue Impulse bei meinen Stakeholdern oder neue Kontakte und Aufträge, wenn ich mich als Unternehmen oder Freiberufler:in dort gut präsentiere. Und ich kann mir persönlich ein Netzwerk aufbauen, das mich mein gesamtes Berufsleben durch alle Unsicherheiten heutzutage begleitet.

Was sind die ersten Schritte bei LinkedIn?

Zunächst sollte sich der- oder diejenige mit der Plattform vertraut machen, sich die Funktionen anschauen, andere Profile besuchen. Im Privatmodus kann man das tun, ohne dass man erkannt wird. Je besser wir das Tool kennenlernen, desto sicherer werden wir. Wichtiger ist aber der zweite Schritt, der eher strategischer Natur ist. Wir sollten uns überlegen, wie wir uns bei LinkedIn positionieren möchten. Wichtigste Fragen dafür sind aus meiner Sicht: Wofür stehe ich? Mit welchen Themen sollen mich meine Kontakte in Verbindung bringen? Wo möchte ich mich „hinkommunizieren“? Das kann zum Beispiel ein Nischenthema sein, für das ich mich interessiere. Bemerkenswert finde ich die Geschichte einer Bekannten, die einmal im Monat etwas über Künstliche Intelligenz gepostet hat, weil sie das spannend fand. Nach einem halben Jahr meinte ihr Chef zu ihr, er hätte gar nicht gewusst, dass er eine Expertin für KI in seinen Reihen hat. Das erlebe ich häufiger: Wenn Menschen regelmäßig zu einem Thema posten, schreiben andere ihnen schnell einen Expertenstatus zu.

Genügt es nicht, ein aussagekräftiges Profil auf LinkedIn zu haben, damit man von Unternehmen auf Mitarbeitersuche gefunden wird?

Das LinkedIn-Profil ist das notwendige Fundament. Damit werden wir gefunden. Doch nur wenn wir selbst etwas posten und die Postings unserer Kontakte liken oder kommentieren, stärken wir die Beziehungen im eigenen Netzwerk. Das hat sogar Auswirkungen auf die Wahrnehmung der eigenen Person, wenn wir unsere Kontakte mal wieder in Präsenz treffen. Vor allem gilt: Das Netzwerken auf den digitalen Plattformen braucht Konstanz. Nur aktiv zu werden, wenn wir einen neuen Job suchen, ist zu kurz gesprungen.

„Qualität bringt mehr als Quantität. Alle zwei, drei Wochen ein gutes Posting und parallel dazu Likes und Kommentare unter den Postings der Kontakte – das genügt schon, um eine gute Sichtbarkeit aufzubauen und die Beziehungen aktiv zu pflegen.“
Kathrin Koehler

Viele User scheuen davor zurück, selbst Beiträge bei LinkedIn zu posten. Was empfehlen Sie ihnen?

Sie sollten zunächst Ihr Profil zum Superstarprofil ausbauen, damit sie das Gefühl haben, dass in ihrer Präsentation alles stimmt und damit sie auch die volle Reichweite ausschöpfen. Und dann sollten sie sich fragen: Was hält mich denn immer noch ab? Ist es die Angst vor einer Blamage oder ist es Perfektionsstreben? Ich selbst habe auch schon Postings wieder gelöscht, weil ich dachte, dass sie nicht gut genug waren. Mein Rat ist, den eigenen Ängsten Rationalität entgegenzusetzen: Was soll schon passieren? Solange ich das nicht larifari mache und meine Bedenken für mein persönliches Qualitätsmanagement nutze, solange kann ich meinen Beitrag auch veröffentlichen.

Wie häufig sollte man etwas veröffentlichen?

Hier bringt Qualität mehr als Quantität. Alle zwei, drei Wochen ein gutes Posting und parallel dazu Likes und Kommentare unter den Postings der Kontakte – das genügt schon, um eine gute Sichtbarkeit aufzubauen und die Beziehungen aktiv zu pflegen. Wer 10.000 Follower haben möchte, muss mehr machen, aber alle anderen nicht unbedingt.

Sie haben ein Buch mit dem Titel „New Networking“ geschrieben, das gerade erschienen ist. Was erwartet die Leser?

Das Buch richtet sich an all jene, die das digitale Netzwerken in der neuen Arbeitswelt besser verstehen und für sich umsetzen wollen. Die skeptisch sind gegenüber den Business-Netzwerken oder die sich bisher nicht trauen, bei LinkedIn aktiv zu werden. Ich stelle mich an die Seite der Leser:innen und wir gehen gemeinsam den Weg in die digitale Sichtbarkeit und zu souveränem Netzwerken. Um für mich offene Fragen zu untersuchen, habe ich eine Reihe von Interviews mit anderen Expert:innen geführt, zum Beispiel dazu, wie Menschen mit Selbstzweifeln, Führungskräfte, CEOs oder Introvertierte gut netzwerken können oder wie sich die Dramaturgie von Posts gestalten lässt.

Zur Person:

Kathrin Koehler arbeitete als Journalistin, Führungskraft in Marketing und Sales sowie als Digital-Strategin unter anderem beim stern, bei Neon und beim Burda Verlag in Berlin, bevor sie sich 2012 als Digital Coach selbstständig machte. Seitdem trainiert und coacht sie Teams und Einzelpersonen zur Kommunikation in den sozialen Business-Netzwerken wie LinkedIn und Twitter. Mit den „Digital You“-Programmen bietet die zertifizierte Trainerin gemeinsam mit ihrem Team Intensiv-Sessions, begleitende Video-Kurse und langfristige Corporate-Influencer-Programme für Unternehmen an. Gerade erschienen ist Kathrin Koehlers Buch „New Networking –Der smarte Weg zu digitaler Sichtbarkeit und souveränem Netzwerken“.

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