Selbstvermarktung im Lebenslauf - zwischen Schönfärberei und Falschangabe

Zu den Aufgaben eines Personalberaters gehört es, KandidatInnen nicht nur im Interview näher kennenzulernen, sondern auch ihren Werdegang auf Plausibilität zu prüfen. Welche Angaben sind richtig? Wo wurde übertrieben oder sogar gelogen? Ein solcher Check ist als Teil des Auswahlprozesses wichtig, Kunden legen darauf großen Wert.

Das hat verschiedene Gründe

  1. Unternehmen wollen wissen, mit wem sie es im Bewerbungsprozess (wirklich) zu tun haben. Hat die Person so wie angegeben studiert? Verfügt die Person über die Kompetenzen, die sie aufführt? Hat sie Erfahrung im Führen eines Teams oder war sie lediglich für die Steuerung der Praktikanten zuständig?

  2. Unternehmen wollen sicherstellen, dass die KandidatInnen für eine Vakanz – und zwar sowohl fachlich als auch persönlich – eine (zumindest weitgehende) Passung besitzen. Damit wird sichergestellt, dass sich ein auf lange Sicht angelegtes Anstellungsverhältnis entwickeln kann und die Neueinstellung für beide Seiten erfolgreich ist.

  3. Unternehmen – gerade in sensiblen Branchen wie der Finanzwirtschaft – sind dazu angehalten, Risiken zu minimieren oder von vornherein auszuschließen, um Schaden von der Allgemeinheit abzuwenden. Es gibt seit einigen Jahren auch eine entsprechende DIN Norm (ISO 31000:2018), die die unterschiedlichen Risiken in einer Organisation untersucht, die Eintrittswahrscheinlichkeit bewertet und es ermöglicht, Maßnahmen abzuleiten. KandidatInnen auszusortieren, die unwahre Angaben machen, dient also der Risikominimierung.

Klar ist, eine Bewerbung verfolgt das Ziel, sich im besten Licht darzustellen und die Frage zu beantworten, warum der Kandidat für diese Vakanz geeignet ist. Der Kandidat soll den Lebenslauf ja dazu nutzen, seine Stärken und Erfahrungen herauszustellen, seinen Werdegang und seine Erfolge zu belegen. Doch in Zeiten von Social Media nehmen Selbstvermarktung und Selbstdarstellung mittlerweile einen so großen Raum ein, dass es für potenzielle Arbeitgeber immer schwieriger wird, faktenbasiert das Profil eines Kandidaten einzuschätzen.

Wir werden oft gefragt, warum Kandidaten eigentlich so stark übertreiben oder gar betrügen. Die Antwort ist vermutlich simpel: Weil es die eigenen Chancen für die Bewerbung auf eine interessante Vakanz steigert. Weil es hilft, Lücken und Probleme im eigenen Werdegang (schlechte Noten etc.) zu übertünchen. Und – das ist sicher neu – weil viele glauben, dass man damit wirklich durchkommt.

Schönfärberei und Bewerbungsbetrug sind so alt wie die schriftliche Bewerbung.

Die Ratgeberliteratur hat schon vor vielen Jahren zahlreiche Tipps vorgehalten, damit sich Bewerbende optimal darstellen können. Und je mehr soziale Medien und Karrierenetzwerke an Bedeutung für das Recruiting gewinnen, um so stärker nehmen Selbstdarstellung und -vermarktung zu. Dabei – und das ist nicht allein unser Eindruck – verschiebt sich nach und nach die Grenze zwischen Übertreibung und ein bisschen Schönfärberei auf der einen Seite hin zu Fälschungen auf der anderen Seite.

Beide Seiten - HR und Bewerbende - rüsten auf.

Unternehmen nutzen Software – z. B. ATS (Applicant Tracking System) –, die Bewerbungen auf bestimmte Begriffe hin prüfen und bei Fehlen dieser Begriffe aussortieren. Das führt natürlich dazu, dass Bewerbende ihren Lebenslauf mit Begriffen „tunen“, die die KI dann finden kann.
Es gibt bisher in Deutschland keine aussagekräftigen Studien oder Untersuchungen zu Schönfärberei oder Betrug bei Bewerbungen. Leider. Immer wieder aufgegriffen wird eine Zahl von rund 30 Prozent aller Bewerbungen, die zumindest schöngefärbt sind. Diese Zahl stammt von einer Wirtschaftsdetektei, die Backgroundchecks von Bewerbenden/neuen Mitarbeitenden durchführt und anhand der Auswertung eigener Fälle zu dieser Zahl kommt. Die Spanne reicht hier von Übertreibungen & Schummeleien bis zu knallharten Fälschungen.

Als Personalberater gehört es deshalb zu unserem Qualitätsverständnis und Anspruch, dass wir die Unterlagen von Kandidaten auf Plausibilität prüfen. Finden wir Hinweise auf Schönfärberei oder Schlimmeres, lassen wir uns vom Kandidaten die Erlaubnis dafür geben, Referenzen einzuholen. Wir können diese (unglaublich hoch wirkende) Zahl in gewisser Weise bestätigen. Bei etwa 30 Prozent der Unterlagen stellen wir fest, dass sie zumindest äußerst ungenau zusammengestellt worden sind oder Daten großzügig behandelt oder weggelassen wurden. Eine interne Auswertung führte bei uns sogar zu dem Ergebnis, dass knapp 10 Prozent der Kandidaten-Unterlagen eine „Red Flag“ verdienten, weil sie Unwahrheiten oder Fälschungen enthielten. Das ist eine unglaublich hohe Zahl, wie wir finden. Wir können es nur immer wieder sagen: Der Grat zwischen Aufhübschen und Fälschen ist schmal.

Lesetipp

Es gibt zu dem Thema bisher nur wenig Fachliteratur und Veröffentlichungen. Wer sich damit etwas intensiver auseinandersetzen möchte, dem können wir folgende drei Lesehinweise geben:

  • Sonja Veelen, „Hochstapeln. Eine kulturelle Praktik in Bewerbungs- und Personalauswahlverfahren“, Beltz Juventa, 2021

  • Maier, Berens, Schweitzer, „Pre-Employment-Screening. Ein risikobasierter Praxisleitfaden zur Bewerberprüfung im Personalauswahlverfahren.“ Richard Boorberg Verlag, 2017.

  • Uwe Kanning, „Standards der Personaldiagnostik. Personalauswahl professionell gestalten.“, Hogrefe Verlag, 2019, hier speziell Kapitel 7.

Diese Techniken des „Tunings“ von Bewerbungen begegnen uns immer wieder

Kaschieren
Längere Zeiten der Nichtbeschäftigung werden z. B. mit Angehörigenpflege oder einem Auslandsaufenthalt kaschiert.

Verschweigen (Weglassen)
Arbeitsstellen mit kurzer Beschäftigungsdauer oder Zeiten der Arbeitslosigkeit werden nicht aufgeführt. Schulabschluss, Ausbildung und erste Arbeitsstelle fehlen.

Bluffen
Das Studium wurde absolviert, aber nicht abgeschlossen – der Hinweis darauf fehlt im CV. Oder es wird eine Tätigkeit als freiberuflicher Berater ohne Einsatz angegeben.

Hochstapeln
Um den CV aufzuwerten, werden Stationen erfunden: Die Gründung eines Startups, das nach kurzer Zeit pleite ging. Ein Doktortitel aus einer der berüchtigten „Titelmühlen“ (ausländischen Universitäten, bei denen man Titel käuflich erwerben kann). Oder die Positionsbezeichnung „Kaufmännischer Leiter“ einer Firma, bei der man der (einzige) Sachbearbeiter war.

Fälschen
Kaum zu glauben, kommt aber immer wieder vor: Das auf Logopapier selbst geschriebene Arbeitszeugnis mit gefälschter Unterschrift oder die (verbesserten) Noten im Ausbildungszeugnis oder das Abkleben des Wortes „Zwischen“ bei Zeugnissen.

Während die Beispiele unter 1 und 2 noch als Schönfärben angesehen werden können (je nach Einzelsituation und Schweregrad), wird bei Nummer 3 schon die berühmte „Yellow Flag“ vergeben. Für Unternehmen bedeutet dies, dass diese Punkte im Gespräch thematisiert werden. Für die Nummern 4 und 5 gibt es bei Unternehmen definitiv die „Red Flag“. Was vielen gar nicht bewusst ist: Unternehmen können bei Fälschung und Betrug Anzeige erstatten, denn ein unterschriebener CV und offizielle Arbeitszeugnisse gelten als Urkunden. Es gibt auch Unternehmen, die diesen Schritt nicht gehen und den Bewerbenden einfach absagen. Das Nachsehen haben die Unternehmen, bei denen sich der Kandidat später bewirbt.

Wir wissen aus unserer langjährigen Praxis, dass selbst hervorragend gefälschte Urkunden, z. B. das Zeugnis für ein nicht absolviertes Studium noch nach vielen Jahren Beschäftigung zu einer (fristlosen) Kündigung führen können. Ein Risiko, das wirklich niemand eingehen sollte.

Werden wir bei der Prüfung der Unterlagen stutzig, lassen wir uns vom Kandidaten das Einverständnis für die Einholung einer Referenz bei früheren Arbeitgebern bzw. für die Überprüfung der Abschlüsse bei Universitäten oder Ausbildungsbetrieben geben. Spätestens dann – so die Erfahrung – ziehen Kandidaten ihre Bewerbung meist ganz schnell zurück. Das hinterlässt auf beiden Seiten einen schalen Beigeschmack.

Tipps für Kandidaten
  • Alles spricht dafür, eigene Kompetenzen und Erfahrungen ausführlich im CV darzulegen. Nur bleiben Sie unbedingt bei der Wahrheit!

  • Stehen Sie zu Ihrem Werdegang und haben Sie Mut zur Klarheit. Auch wenn es Stationen in Ihrem Leben gibt, auf die Sie nicht unbedingt stolz sind: Wenn Sie danach gefragt werden, dann seien Sie transparent. Erläutern Sie, was Sie aus dieser Phase mitgenommen/gelernt haben.

  • Seien Sie konsistent. Ihr Werdegang auf den Portalen XING, LinkedIn und Ihre Vita sollten übereinstimmen. Wie viel Sie in den sozialen Netzwerken preisgeben möchten, ist Ihnen überlassen. Der Lebenslauf allerdings sollte immer vollständig sein. Vermeiden Sie den Eindruck, es nicht so genau zu nehmen.

  • Riskieren Sie nicht Ihren beruflichen Erfolg! Lassen Sie beim potenziell neuen Arbeitgeber nicht den Verdacht aufkommen, Sie würden es eh nicht so genau nehmen.

Tipps für Unternehmen
  • Sehen Sie die Prüfung der Bewerbungsunterlagen auf Plausibilität als Teil Ihres Risikomanagements und Ihrer Compliance-Prozesse.

  • Nehmen Sie sich im Recruiting ausreichend Zeit für die Prüfung der Unterlagen.

  • Trainieren Sie Ihre Recruiter/Talentmanager auf das Erkennen von Schönfärberei- und Fälschungstechniken in Bewerbungen.

  • Greifen Sie für sensible Positionen auf spezialisierte Dienstleister für Pre-Employment-Screenings zurück.

  • Nutzen Sie bei Verdacht auf Betrug (Abschlüsse) einschlägige Plattformen und Datenbanken zur Überprüfung.