Digitale Transformation im Gesundheitsmarkt (Teil 1)

"Digitale Medikamente sind die Zukunft"

Dr. Markus Müschenich entwickelt als Managing Director von Eternity.Health die Gesundheitsversorgung von morgen mit. Hier spricht er über die Bedeutung von softwaregenerierten Medikamenten und erklärt, worauf er bei der Auswahl von Mitarbeitern besonders achtet.

Was ist in Ihren Augen die größte Veränderung, die mit der Digitalisierung des Gesundheitsmarkts einhergeht?
Die digitale Welt bringt Gesundheitsleistungen zu den Patienten nach Hause, direkt in ihren Alltag. Vorher war der Patient darauf angewiesen, diese Dienstleistungen im Krankenhaus, in der Arztpraxis oder in der Apotheke in Anspruch zu nehmen. Die Menschen werden aber im Alltag krank, sie sollten nach Möglichkeit auch im Alltag wieder gesund werden. Digitale Mittel machen das möglich. Mit Smartphone und Co. können wir direkt auf den Lifestyle der Menschen einwirken und ihnen so dabei helfen, ein gesünderes Leben zu führen. Besonders großes Potenzial sehen wir bei digitalen Medikamenten.

Wie funktionieren digitale Medikamente?
Dabei handelt es sich um softwaregenerierte medizinische Reize, die eine direkte physiologische Reaktion auslösen. In einem unserer Start-ups entwickeln wir gerade eine Therapie für Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen. Die Technologie, die in Smartphones integriert werden kann, stimuliert bestimmte Zellen auf der Retina mit Lichtreizen. Dadurch schütten diese Zellen Dopamin aus, einen Neurotransmitter, der das Wachstum des Augapfels steuert. In einem anderen Start-up arbeiten wir an einem digitalen Medikament zur Behandlung von Depressionen, das ebenfalls über das Smartphone angewendet wird. Diese Investitionen zeigen: Wir sind überzeugt, dass digitale Medikamente die Zukunft sind – und diese Zukunft wollen wir mitgestalten.

„Wir brauchen neugierige Menschen, die „out of the box“ denken. Nur zehn Prozent des Jobs ist Routine, der Rest ist von Unsicherheit geprägt – damit müssen unsere Mitarbeiter umgehen können.“
Dr. Markus Müschenich

Was ist die wichtigste Eigenschaft, die Start-up-Gründer im digitalen Healthcare-Markt brauchen?
Maximale Respektlosigkeit dem System gegenüber. Sie müssen alles hinterfragen, was in diesem Bereich als vermeintlich unumstößlich gilt, und bereit sein, es anders zu machen. Auf der anderen Seite brauchen sie großen Respekt dem Patienten gegenüber, denn nur wenn der klickt, kann das Unternehmen erfolgreich sein. Der Patient rückt in den Fokus – in dieser Konsequenz ist auch das eine neue Entwicklung im deutschen Gesundheitsmarkt, die durch die Digitalisierung vorangetrieben wird.

Welche Fähigkeiten benötigen Mitarbeiter in Ihrem Unternehmen? Worauf achten Sie bei der Auswahl?
Wir brauchen neugierige Menschen, die „out of the box“ denken. Nur zehn Prozent des Jobs ist Routine, der Rest ist von Unsicherheit geprägt – damit müssen unsere Mitarbeiter umgehen können. Eventuell arbeiten sie an einer Innovation, die es nie auf den Markt schaffen wird. Dabei treibt sie der Wille an, die Gesundheit zu verbessern. Viele unserer Kollegen würden auch locker in einem anderen Bereich einen Job finden und hätten es dort möglicherweise auch leichter, weil die Regulierung weniger hoch ist. Sie entscheiden sich aber dennoch dafür, im Gesundheitswesen zu arbeiten, weil es wertvoll ist. Im Bewerbungsprozess überprüfen wir also neben der fachlichen Qualifikation vor allem, ob die Kandidaten diesen Spirit mitbringen.

Wie kommen Sie als Digitalunternehmen mit den pandemiebedingten Einschränkungen zurecht?
Wir hatten kein Problem damit, komplett auf Homeoffice und virtuelles Arbeiten umzustellen, da wir das ohnehin nutzen. Aber natürlich sind wir genauso genervt wie andere, weil wir uns nicht treffen können. In Innovationsprozessen schließen Sie sich gern mal mit anderen Leuten in einen Raum ein und malen gemeinsam Flipcharts voll. Wir können das vielleicht besser als andere Unternehmen digital abbilden, aber ein Dauerzustand ist das nicht. Praktisch für Mitarbeiter anderer Nationalitäten war, dass sie während des Lockdowns teilweise von ihren Heimatländern aus arbeiten konnten. Theoretisch könnten wir auch Spezialisten aus New York oder Boston einstellen, die nicht nach Deutschland übersiedeln wollen. Bei allen Optionen und bei aller Digitalisierung – sich persönlich treffen zu können, ist wichtig.

Zur Person:
Dr. Markus Müschenich hat Eternity.Health gemeinsam mit Christian Lautner gegründet, beide sind Managing Partner der auf Life Science Technology spezialisierten Holding. Zu den Tochterfirmen gehören unter anderem Flying Health und die auf digitale Medikamente spezialisierten Start-ups Dopavision und Optimood.

Mehr im Netz:
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Neuraltrain (Optimood)

Bildquellen:
Titelbild: istockphoto
Porträt: Astrid Dill