"Das Prinzip ,Up or out‘ gilt bei uns nicht"
Sae-Yun Song verantwortet bei der Inhouse-Beratung der Deutschen Bahn die Themen Recruiting und Personalmarketing. Im Interview erzählt sie, wie sie den Frauenanteil im Consulting erhöhen will.

Sie waren jahrelang als Unternehmensberaterin tätig. Was hat Sie zum Ausstieg bewogen?
Bei mir stand die Familienplanung an und ich konnte das damals nicht mit der Beratertätigkeit vereinbaren. Montags um 6 Uhr in den Flieger, Freitag um 19 Uhr zurück – das war schon eine Herausforderung für meine Beziehung, von Familie gar nicht zu reden. Erst war ich mehrere Jahre als Beraterin für die Chemiebranche in Bonn beschäftigt, dann wollte ich in meine Heimatstadt Berlin zurück, wo auch mein Partner lebte. Ein Bekannter erzählte mir von der Inhouse-Beratung der Bahn und ich war sehr begeistert von den Menschen, die ich bei den Interviews kennenlernte. Doch auch in diesem Job war ich deutschlandweit im Einsatz. Um dauerhaft in Berlin arbeiten zu können, übernahm ich zunächst eine Elternzeitvertretung im Wissensmanagement, dann wurde ich gefragt, ob ich mich nicht um das Recruiting kümmern wollte. Ich wollte.
Und dieser Job ist familienfreundlicher?
Es ist nicht immer einfach, aber leichter als mit Reisetätigkeit. Ich bin erst vor wenigen Monaten aus meiner zweiten Elternzeit zurückgekehrt. Mein Großer ist in die Schule gekommen, der Kleine neu bei der Tagesmutter. Bis Dezember habe ich 25 Stunden pro Woche gearbeitet. Da muss man sehr diszipliniert sein, Laptop zuklappen und Handy stumm schalten. Seit Januar bin ich wieder auf 100 Prozent. Auch vor Corona hat meine Führungskraft schon gesagt: „Die Ergebnisse müssen stimmen. Mir ist egal, wo du arbeitest.“ Ich bin ein bis zwei Tage im Büro, sonst im Homeoffice.
Wird die Pandemie die Arbeit in der Beratungsbranche dauerhaft verändern? Ist Reisen künftig überhaupt noch nötig?
Dazu gibt es noch kein abschließendes Ergebnis. Virtuelle Formate sind nicht so persönlich und authentisch, aber die Kundenprojekte funktionieren. Ich denke, da wird es Bewegung geben. Der Kunde ist König, aber wir müssen auch schauen, was die Bewerberinnen und Bewerber wollen.
Und was wollen sie?
Das Wichtigste sind die Inhalte. Was finde ich in dem Job, was kann ich mitgestalten? Da kann die Bahn sehr viel bieten. Als Berater gestalten wir hier die Mobilität der Zukunft mit. Wir sind ein sehr wichtiger Baustein für die Verkehrswende in Deutschland, wenn es heißt, weg von der Straße, rauf auf die Schiene. An zweiter Stelle kommt für die Bewerberinnen und Bewerber das Team. Wie ist die Führungskraft, wie ist die Kultur? Gibt es einen wertschätzenden Umgang? – Das ist vielen Kolleginnen und Kollegen heute sehr wichtig. Und dann, an dritter Stelle, kommt die Work-Life-Balance, noch vor dem Gehalt. Da probieren wir sehr viel aus, vor allem um die Familienfreundlichkeit zu erhöhen.
Die Deutschen Bahn strebt eine Frauenquote von 30 Prozent an? Wo liegt die DB Management Consulting?
Insgesamt haben wir einen Frauenanteil von mehr als 40 Prozent. Wenn wir allein die Beraterinnen und Berater anschauen, haben wir mit 28 Prozent die Zielmarke fast erreicht. Frauen können sich bei der Bahn an viele Programme andocken, etwa das Netzwerk „Frauen bei der Bahn“ oder das Mentoringprogramm „Starke Frauen, starke Führung“, das ich selbst durchlaufen habe. Um die Familienfreundlichkeit im Consulting zu erhöhen, probieren wir verschiedene Teilzeitlösungen aus. Bei der Blockteilzeit arbeiten Eltern in der Projektphase voll und nehmen sich dann ihre Auszeit im Block zwischen den Projekten. Auch die übliche Teilzeit über die Woche verteilt gibt es, also vier Tage im Projekt, einen Tag frei. Was ich auch wichtig finde: Das Prinzip „Up or out“, das in vielen Beratungsfirmen üblich ist, gilt bei uns nicht. Das heißt, bei uns muss man nicht alle zwei Jahre den nächsten Karriereschritt gehen, um im Unternehmen bleiben zu können. Das bietet die Möglichkeit, in der Familienphase ein wenig Tempo rauszunehmen.
Wie gehen Sie vor, um neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?
Von klassischen Stellenanzeigen über LinkedIn-Kampagnen bis zu Instagram-Stories ist alles dabei. Der Bewerbermarkt für die Seniorebene ist sehr angespannt. Da arbeiten wir meist mit Headhuntern zusammen. Um talentierte Nachwuchskräfte zu finden, gehen wir mit Case Studies aus unserem Arbeitsalltag an Hochschulen. Unsere Berater sind mit viel Engagement dabei, wenn sie diese Challenges mit den Studierenden veranstalten, weil die Energie, die dabei entsteht, etwas Besonderes ist. Die Studierenden, die wir für unser Unternehmen begeistern können, kommen dann für ein Praktikum zu uns. Und weil sie das Team so toll finden, bleiben viele von ihnen.
Zur Person:
Sae-Yun Song hat an der Technischen Universität Berlin Wirtschaftsingenieurwesen (Technische Chemie) studiert. Danach war sie bei Consultingfirmen in der Beratung tätig, so auch zunächst bei der DB Management Consulting. Dort übernahm sie 2014 das Recruiting und Personalmarketing und baute den Bereich weiter aus.
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