Digitale Transformation im Gesundheitsmarkt (Teil 6)

"Das Lernen per App funktioniert wie ein Online-Game"

Mit der Quiz-App SuperNurse® bilden Pflegekräfte sich spielerisch weiter. Gründerin Judith Ebel erklärt im Interview, was dahinter steckt und wie Digitalisierung die Pflegequalität verbessern kann.

Was war die Initialzündung für die Gründung von SuperNurse®?
Ich gebe seit vielen Jahren Weiterbildungskurse für Pflegekräfte. Direkt nach dem Seminar sind die Teilnehmenden immer total motiviert und wollen alles anders machen, dann wird das Gelernte aber schnell vergessen. Ich dachte mir, so kann es doch nicht laufen! Aus dieser Unzufriedenheit entstand die Idee zu einer Quiz-App, die das Wissen durch Wiederholung tiefer im Gedächtnis verankert. Genau das macht SuperNurse®. Die App ist so ausgelegt, dass sie in allen Settings nutzbar ist: in der ambulaten und der stationären Pflege, im Krankenhaus und während der Ausbildung, in der Kinderkrankenpflege ebenso wie bei der Arbeit mit demenziell erkrankten Patienten.

Ein Auszubildender hat doch aber ein anderes Vorwissen als eine examinierte Pflegefachkraft mit Berufserfahrung …
Aktuell haben wir 38 Themen mit insgesamt 5.000 Quizfragen. Die Fragen werden intelligent ausgewählt und ermöglichen so eine qualifikationsgerechte Adressierung. Damit folgen wir der Idee, dass das Lernen per App wie ein Online-Game funktioniert und im Idealfall ein Flow-Erlebnis entsteht. Eine Person bricht das Quiz ab, wenn sie sich über- oder unterfordert fühlt. Das wollen wir vermeiden. Die Nutzungszahlen zeigen, dass es funktioniert: Pro Woche werden im Schnitt 70.000 Fragen gespielt und 1.000 Zertifikate ausgestellt. Diese Zertifikate sind bei den Prüfinstanzen in der Pflege als Fortbildungsnachweis anerkannt.

„Pflegekräfte haben sich ganz bewusst gegen einen Bürojob und für die Arbeit mit Menschen entschieden. Vielen von ihnen fehlt Digitalkompetenz. Um die digitale Transformation in der Pflege zu schaffen, braucht es Veränderungsbereitschaft, aber auch Unterstützung.“
Judith Ebel, Gründerin SuperNurse®

Vor welchen Herausforderungen stehen Pflegende angesichts der Digitalisierung?
In der Pflegebranche wird die Papierdokumentation durch EDV-gestützte Systeme ersetzt. Die Krankenkassen und Prüfinstanzen fordern das ein. Mit dieser Umstellung tun sich viele Mitarbeiter schwer. Pflegekräfte haben sich ganz bewusst gegen einen Bürojob und für die Arbeit mit Menschen entschieden. Vielen von ihnen fehlt Digitalkompetenz. Die meisten haben zwar ein Smartphone, aber wissen teilweise zum Beispiel nicht, wie sie eine App herunterladen und updaten oder ihre E-Mails dort abrufen können. Um die digitale Transformation in der Pflege zu schaffen, braucht es Veränderungsbereitschaft, aber auch nutzerorientierte Unterstützung, etwa durch Digitalisierungscoaches in den Einrichtungen. Es geht ja nicht nur um den Abschied von der Papierdokumentation, sondern um digitale Technologien, die bei der Pflege unterstützen können.

Woran denken Sie dabei?
Zum Beispiel Sensoren in Trinkflaschen, die anzeigen wie viel ein Pflegebedürftiger tatsächlich schon getrunken hat. Oder schlaue Fußleisten, die Alarm geben, wenn jemand aus dem Bett aufsteht. Auf diese Weise lassen sich Stürze verhindern. Uns fehlen so viele Menschen in der Pflege. Ohne, dass wir Innovationen willkommen heißen, wird es nicht gehen! Die Einrichtungen müssten viel offener dafür sein, neue Dinge auszuprobieren. Und Innovatoren müssten leichter an Förderungen kommen können.

Sind das die Anliegen, die Sie als 1. Vorsitzende des Vereins „Care for Innovation“ vertreten?
Ja, unter anderem. Wir sind ein Zusammenschluss von jungen, innovativen Unternehmen, die digitale Lösungen anbieten, um den Pflege- und Betreuungsprozess zu verbessern. Wir alle haben den gleichen Ozean von Einrichtungen vor uns und statt uns als Konkurrenten zu sehen, arbeiten wir an Schnittstellen, um verschiedene Lösungen clever miteinander zu verbinden. Ein Beispiel: Wir von SuperNurse® kooperieren mit Value, einer digitalen Plattform für Mitarbeiterwertschätzung. Eine Führungskraft in einer Pflegeeinrichtung kann sagen: Wer bei SuperNurse® ein Zertifikat erarbeitet, erhält dafür Punkte bei Value und kann sie ganz unkompliziert in eine Sachprämie bei einem der vielen Prämienpartner umwandeln.

Welche Pläne für die Weiterentwicklung von SuperNurse® haben Sie noch?
Wir expandieren gerade in die Niederlande. Bis Ende des Jahres wollen wir außerdem die 50er-Marke an Themen in der App knacken und dabei noch mehr auf die Bedürfnisse von Pflegekräften in Krankenhäusern eingehen. Und wir haben vor, stärker mit Bildungseinrichtungen zusammenzuarbeiten: Mein Wunsch wäre, dass SuperNurse® an jeder Pflegeschule in die generalistische Ausbildung integriert wird!

Zur Person:
Judith Ebel ist gelernte Gesundheits- und Kinderkrankenschwester. Nach einigen Jahren in diesem Beruf studierte sie Pflegewissenschaft und Erwachsenenpädagogik. Seit 15 Jahren berät sie Einrichtungen des Gesundheitswesens zu Pflegethemen und gibt Weiterbildungsseminare. Mit der Quiz-App „SuperNurse®“ ging sie 2016 an den Start. Judith Ebel ist außerdem 1. Vorsitzende im Verein „Care for Innovation – Innovation pflegen e. V.“.

Im Netz:
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Care for Innovation e. V.

Bildquellen:
Titelbild: istockphotos
Porträtbild und Foto Smartphone-Screen: GWP - Gesellschaft für digitales Wissensmanagement in der Pflege mbH